Torten-Talk Zwei Alpha-Rüden und die Zukunft des Krankenhauses

Grevenbroich · Zwei, die vom Alter her nicht unterschiedlicher sein könnten: Sigurd Rüsken, Geschäftsführer der "Rhein-Kreis-Kliniken", eigentlich schon im Ruhestand, und Philipp Bolz, Ex-Jugend-Bürgermeister und heutiger Jugendferienwerker.

Torten-Talk: Zwei Alpha-Rüden und die Zukunft des Krankenhauses
Foto: Alina Gries

Doch eines haben sie gemeinsam: Die neuste Kreation aus dem Hause "Café Breiden" von Nico Schall scheint ihnen zu schmecken. Beim Torten-Talk wurde dann auch noch reiner Tisch gemacht, wörtlich versteht sich. Die Torte war am Ende nämlich weg.

Torten-Talk: Zwei Alpha-Rüden und die Zukunft des Krankenhauses
Foto: Alina Gries

Philipp Bolz: Erst einmal vielen Dank, dass Sie unserer Einladung zum Torten-Talk gefolgt sind. Sie sind Geschäftsführer der Rhein-Kreis-Kliniken. Vorher waren Sie Geschäftsführer des Lukas-Krankenhauses und jetzt wären Sie eigentlich schon im verdienten Ruhestand. Dann hat man Sie aber aus dem Ruhestand heraus verpflichtet. Sie sind also sozusagen der "Jupp Heynkes der Rhein-Kreis-Kliniken.

Torten-Talk: Zwei Alpha-Rüden und die Zukunft des Krankenhauses
Foto: Alina Gries

Sigurd Rüsken: Sehr schmeichelhaft!

Philipp Bolz: (lacht): ... da stelle ich mir natürlich die Frage, warum sind Sie genau der Richtige für diesen Job?

Sigurd Rüsken: Weil ich das Lukaskrankenhaus 25 Jahre in schwarzen Zahlen geführt habe. Und das Krankenhaus steht nach Beurteilung Dritter recht gut da.

Philipp Bolz: Dann nochmal kurz zurück. Welchen Stand haben Sie der Kreis-Kliniken bei der Übernahme vorgefunden?

Sigurd Rüsken: Erhebliche wirtschaftliche Probleme. Wie man eigentlich immer in solchen Fällen sagen kann: Es wurde mit zu viel Ressourcen gearbeitet und zu langsam.

Philipp Bolz: Wer hat aus Ihrer Sicht das finanzielle Desaster zu verantworten?

Sigurd Rüsken: Zum "verantworten", wie heißt der Satz? Fisch stinkt immer am Kopf zuerst.

Philipp Bolz: Können Sie das noch weiter ausführen?

Sigurd Rüsken: Das kann man nicht machen, das ist so abgesprochen. Also was niemals passieren darf, ist die Menschen persönlich diffamieren. Wir müssen alle noch morgen mit erhobenem Kopf durch Grevenbroich laufen können.

Philipp Bolz: Ich hab ja auch nur gefragt: Wer hat es zu verschulden?

Sigurd Rüsken: Immer die Nummer eins. Wenn es wieder schief geht, dann war ich es. Darauf können wir uns vielleicht verständigen. Sollte es erneut schief gehen, bin ich es gewesen.

Philipp Bolz: Wenn wir jetzt das Defizit abbauen wollen: Geht das überhaupt ohne den Verlust von Arbeitsplätzen?

Sigurd Rüsken: Natürlich nicht! Aber niemand verliert seinen Arbeitsplatz. Wir ersetzen diejenigen, die ausscheiden, nicht durch Neue. Wir werden niemanden entlassen. Das habe ich 25 Jahre im "Lukas" nicht getan und damit fange ich auch jetzt nicht an.

Philipp Bolz: Ich finde es gut, dass Sie hier so offen und nicht um den heißen Brei reden (lacht).

Sigurd Rüsken: Wissen Sie, was das Schöne ist, wenn man 70 Jahre alt ist? Man kann ruhig die Wahrheit sagen, kann einem ja nichts mehr passieren.

Philipp Bolz: (lacht) Okay! Es steht ja auch zur Debatte, dass Abteilungen geschlossen werden sollen. Können Mütter ihre Kinder beispielsweise bald noch in Grevenbroich zur Welt bringen?

Sigurd Rüsken: Ja! Das sollten wir auch tun! Denn über die Frage, ob die Geburtshilfe in Grevenbroich geschlossen wird, entscheiden die Mütter in Grevenbroich. Heute entscheidet sich jede dritte Mutter, die in Grevenbroich und Umgebung schwanger wird, nicht im Kreiskrankenhaus zu entbinden. Und das ist völlig klar: Wenn der Anteil kleiner wird, dann wird die Geburtshilfe erhalten bleiben und wenn dieser Anteil sich signifikant noch vergrößert, dann hat die Geburtshilfe keine Zukunft. Immer der Kunde entscheidet. Wenn in diesem Café bald keine Kunden mehr sitzen, dann wird es geschlossen werden.

Philipp Bolz: Also ist der Rat an alle Mütter in Grevenbroich ...

Sigurd Rüsken: Also diejenigen, die möchten, dass die Geburtshilfe erhalten bleibt, können nichts Besseres tun, als dafür zu sorgen, dass die Kinder dort zur Welt kommen.

Philipp Bolz: Also eine Message: Kinder kriegen sozusagen.

Sigurd Rüsken: Das sowieso. Denn ich habe von einer ganz beeindruckenden Zahl gelesen. Im Jahre 2040 wird jeder zweite über 65 Jahre alt sein in Deutschland. Also wie lange werden wir arbeiten müssen?

Philipp Bolz: Relativ lange, ja!

Sigurd Rüsken: Und unsere Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn die aktive Gesellschaft länger arbeitet und wenn sie Kinder kriegt. Und wenn sie das so machen wie ich — mit vier Kindern, dann ist das schon mal ordentlich (lacht).

Philipp Bolz: Ziel ist ja im Grunde genommen eine Fusion der beiden Kreiskrankenhäuser Grevenbroich und Dormagen mit dem Lukaskrankenhaus.

Sigurd Rüsken: Ich würde das sehr begrüßen. (…) Ich glaube, dass die Bevölkerung gut bedient ist mit einem öffentlichen Krankenhaus. Das private Krankenhaus hat Sozialprobleme und das öffentliche Krankenhaus hat Effizienz-Probleme. Wir sind im Zweifel etwas zu lahmarschig und die anderen sind ein bisschen zu gewinnorientiert. Aber das öffentliche Krankenhaus ist nach meiner Ansicht das effizientere und was ich für wichtig halte: Ein öffentliches Krankenhaus unterliegt öffentlicher Kontrolle. Der Entscheidende ist am Ende der Landrat und der will wiedergewählt werden und deshalb muss er sich um die Bevölkerung kümmern.

Philipp Bolz: Jetzt gibt es ja ein Gutachten, dass diese Fusionen kartellrechtlich zumindest als sehr bedenklich eingestuft sind. Es kommt also gegebenenfalls zu keiner Fusion, das hätte zur Folge, dass das "St. Elisabeth"-Krankenhaus geschlossen werden müsste.

Sigurd Rüsken: Nein, das stimmt nicht. Es gibt erst einmal drei Möglichkeiten, wie das Ganze kartellrechtlich überhaupt beurteilt wird. A es wird durch gewunken. B es wird beanstandet. C es wird durchgehen aber mit Auflage.

Philipp Bolz: Gibt es einen Plan B?

Sigurd Rüsken: Auf keinen Fall wird das Krankenhaus in Grevenbroich geschlossen, denn wenn die Fusion untersagt wird, dann sind die beiden Krankenhäuser Grevenbroich und Dormagen — und ab dem 1. Januar dazu die beiden Seniorenhäuser in Korschenbroich und Grevenbroich — alleine lebensfähig. Das andere würde das Überleben erleichtern, die Untersagung macht das Leben aber nicht unmöglich. Die wirtschaften dann eben alleine weiter. Im Übrigen kann man von dem, was gesellschaftsrechtlich verboten worden ist, vertragsrechtlich vieles noch realisieren: Die Hochzeit wird untersagt, aber wir feiern ein paar Feste. Man muss immer gucken, was erlauben die Juristen (…). Und dann lassen wir uns rechtsanwaltsmäßig beraten.

Philipp Bolz: Und jetzt kommen wir schon fast zum Ende. Wie geht es weiter? Was sind die nächsten Schritte?

Sigurd Rüsken: Also der nächste Schritt wird sein, dass wir das kartellrechtliche Terrain erkunden müssen. Dann kommt die Frage: Wir bilden dann eine gemeinsame Gesellschaft und an dieser Gesellschaft haben dann der Rhein-Kreis und die Stadt Neuss Kapitalanteil. Ich bin der Meinung, die kriegen beide 50:50. Weil keiner der beiden wird sich mit 49 Prozent zufrieden geben. Das lässt das Selbstbewusstsein weder von Bürgermeister Breuer noch von Landrat Petrauschke zu. Das sind zwei Alpha-Rüden und die wollen beide das Sagen haben. Die können sie nur dann in Schach halten, wenn sie beide 50 Prozent kriegen. (…)

Philipp Bolz: Jetzt kommen wir schon zum Schluss. Am Grevenbroicher Krankenhaus schätze ich …

Sigurd Rüsken: … die sehr zukunftsweisende Altersmedizin. Die Medizin der Zukunft wird für mich von Ärztinnen an alten Menschen stattfinden und dort hat Grevenbroich eine exzellente Expertise und eine großartige Zukunft.

Philipp Bolz: Sehr gut. Ich gehe erst in den verdienten Ruhestand, wenn …

Sigurd Rüsken: … die Zukunft der beiden Kreiskrankenhäuser gesichert ist. Am liebsten in einer Fusion gemeinsam mit dem "Lukas".

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