Die Else Kling der Oststraße

Bedburdyck · Jogginghose, fettige Haare, ungewaschen, faul, eine Pulle Bier in der einen und die Zigarette in der anderen Hand. Das ist die Klischee-Vorstellung eines "Hartz IV"-Empfängers. Doch die Realität schaut meistens anders aus.

Die Else Kling der Oststraße
Foto: Alina Gries

400 Euro monatlich hatte Christine Kosielek zum Leben zur Verfügung. Auf die "Hartz IV"-Schiene ist sie nur gelangt, weil sie auf ihrer Arbeit schikaniert wurde. "Es ging sogar vor Gericht, danach habe ich aufgrund meines Alters keine Arbeit mehr gefunden", erzählt die 64-Jährige, "ich habe mir die Finger wund geschrieben." Vier Jahre bezog sie "Hartz IV", ehe sie in Rente ging — jetzt erhält sie monatlich 800 Euro. In der Gemeinde wohnten laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr 522 Arbeitslose. Im November diesen Jahres leben laut der Statistik 265 "Hartz IV"-Empfänger in der Gemeinde.

Seit 16 Jahren wohnt die herzliche Frau nun schon in einer Sozialwohnung an der Oststraße. "Ich bin die Hausmeisterin hier im Haus und halte alles sauber", berichtet sie, "man nennt mich auch die ,Else Kling der Oststraße." Dafür wird sie vom Eigentümer mit einem kleinen Betrag entschädigt, dieser wurde damals zum Teil für "Hartz IV" eingezogen.
"Ich habe kein Geld, um in Urlaub zu fahren, da möchte ich eine Wohnung haben, in der ich mich wohl fühle", so Kosielek. Und das tut sie. Das Badezimmer in Grün, das Wohnzimmer in Gelb und das Schlafzimmer fliederfarben gestrichen. Und auch Hund Bella hat in der Oststraße ein neues Zuhause gefunden.

"Damals habe ich in einem alten Fachwerkhaus an der Kirchgasse gewohnt", erzählt die Rentnerin. Wegen vieler anstehenden Reparaturen entschloss sie sich dann zu einem Umzug. Drei Häuser mit insgesamt 28 Sozialwohnungen stehen in Bedburdyck.
Den "Hartz IV"-Status hat die Bedburdyckerin ganz schnell abgelegt. "Ich habe normale Schränke und lebe nicht aus Kartons", sagt sie, "ich bade in Parfüm, achte auf Sauberkeit und habe zehn Jahre auf meinen Wohnzimmertisch gespart. Die Zeit war schlimm, das möchte ich nie mehr erleben."

"Man wird automatisch in diese Schublade gesteckt", so Kosielek. Dabei sind Sozialwohnung nicht ausschließlich für "Hartz IV"-Empfänger ausgerichtet.
"Es wohnen sehr viele Geringverdiener in der Nachbarschaft", gibt sie an. Denn die Voraussetzung für den Einzug in eine solche Sozialwohnung sei einfach nur wenig Verdienst. So 349 Euro zahlt Kosielek für die Sozialwohnung.

Und weihnachtlich hat die 64-Jährige das Haus und die Wohnung auch geschmückt. "Es ist eine so schöne Zeit", sagt sie, "damals bin ich als Nikolaus verkleidet mit viel zu großen Schuhen durch das Dorf gelaufen und habe Süßigkeiten an die Kinder verteilt." In diesem Jahr feiert die 64-Jährige allerdings mit ihrem Hund Bella in ihren vier bunten Wänden.

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