Taxi, Radfahrer, Volvo: Keiner rief die Polizei an

Südstadt · Bankkunden steigen über eine hilflos am Boden liegende Person hinweg und gehen seelenruhig zum Geldautomaten. Videos von schwersten Verkehrsunfällen tauchen im Internet auf, bevor die Rettungsdienste ihre Arbeit auch nur halbwegs getan haben.

Gaffer schieben Polizisten beiseite, Gaffer verursachen Staus und noch mehr Unfälle auf der Gegenfahrbahn der Autobahn. Bei Prügelattacken schauen immer mehr Menschen ganz geflissentlich vorbei.

„Das kann doch nicht wahr sein“, machte am Montag Wolf A. (Name der Redaktion bekannt) seinem Ärger Luft. Er hatte genau so eine „Hilflosigkeit“ erlebt, als ein jungen Mann ihn abends auf offener Straße würgte.

Wolf A. war mit seinem Wagen in der Südstadt unterwegs, als er plötzlich merkte, dass auf der Beifahrerseite etwas gegen sein Auto klatschte. Sofort hielt er an und stieg aus. Die Fahrertür stand sperrangelweit offen.

„Ich dachte, es wäre ein Kind gewesen“, so der 50-Jährige in der Redaktion. Doch er fand nichts. Nur zwei junge Männer (deutsch, Mitte-Anfang 20) standen da und amüsierten sich köstlich. „Was war das? Was soll das?“, fragte er aufgeregt in ihre Richtung. Der eine kam auf ihn zu, fasste ihn am Kragen und würgte ihn.

Aus dem Augenwinkel sah er wie ein Taxifahrer sein Auto an der offenen Fahrertür vorbeibugsierte. Derweil versuchte er den Angreifer zu beruhigen. Doch der würgte weiter.

„Kann mal einer die Polizei rufen“, stieß Wolf A. hervor. Ein Radfahrer kam, guckte – und fuhr weiter.

Inzwischen war auch der zweite junge Mann herangekommen. „Mein Bruder ist besoffen“, sagte er wohl entschuldigend. Doch der hielt den Griff weiter fest am Hals geschlossen.

„Plötzlich sah ich einen Volvo neben mir. Mit heruntergelassener Scheibe. Ich rief wieder: Kann jemand die Polizei rufen?“, so Wolf A. Doch auch der Volvo verschwand einfach.

Inzwischen hatte der eine Bruder den anderen so weit beruhigt, dass er von seinem Opfer abließ. Mit einem „Entschuldigung“ verschwanden die beiden. Das übrigens, was gegen das Auto klatschte, war ein Döner.

Wolf A. sah übrigens von einer Anzeige gegen Unbekannt ab. „Ich hätte die beiden eh nicht näher beschreiben können.“

Was ihn allerdings wirklich bedrückt, ist die Tatsache, dass mindestens drei Leute sahen, dass er gewürgt wurde, sich aber nicht dafür interessierten!

Gerhard Müller

(Kurier-Verlag)
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