1. Rommerskirchen

Der Ramrather Selbstversorger: Kein Handy kann Kartoffeln erzeugen

Der Ramrather Selbstversorger : Kein Handy kann Kartoffeln erzeugen

Tabak, Chiasamen, Popcornmais, Zuckerhirse, Schlafmohn — für Ralf Roesberger scheint nichts unmöglich. Er baut alles an, was in Deutschland eine Chance haben könnte. Nur Linsen treiben ihn in den Wahnsinn.

Auf 2.000 Quadratmetern versucht er in Ramrath genügend Kalorien für zwei Personen zu produzieren, um zu überleben. Bei "Youtube" hält Roesberger im "Selbstversorgerkanal" seine Dokumentationen fest. Alina Gries sprach mit dem Hobbygärtner über seine erste Folge, die verweichliche Gesellschaft von heute und wie er als Hausmann Kinder und Haushalt unter einen Hut bringt.

Der Ramrather Selbstversorger: Kein Handy kann Kartoffeln erzeugen
Foto: Alina Gries

Wie sind Sie auf die Idee gekommen einen so vielfältigen Gemüsegarten anzubauen?

Meine Gattin und ich haben zehn Jahre lang selbstständig ein Hotel in Aachen geführt. Als dann die Kinder geboren sind, war die Stadt kein Umfeld mehr, sodass wir erst einen Schrebergarten angemietet haben. Zu dem Zeitpunkt konnte ich nicht einmal eine Futter- von einer Zuckerrübe unterscheiden. Seit mehreren Jahren wohnen wir nun hier in Ramrath. Meine Ehefrau geht arbeiten, ich hüte die Kinder und habe mir das Gemüseanbauen als Hobby angeeignet.

Wie schaffen Sie das, Kinder und den Haushalt unter einen Hut zu bekommen?

Meine Kinder sind neun und 13 Jahre alt und gehen zur Schule. Das bedeutet für mich: ich habe von morgens an etwa drei Stunden Zeit etwas in meinem Garten zu tun, ehe ich kochen muss und die Kinder aus der Schule wieder kommen.

Interessieren sich Ihre Kinder auch für Ihr Hobby?

Der Älteste hat mit zehn Jahren ganz alleine einen Bienenschwarm von etwa 3.000 Bienen eingefangen. Ich glaube diese Erfahrung bleibt.

Was genau pflanzen Sie in Ihrem Garten an?

Ich bin offen für alles, was in Deutschland eine Chance hat. Neben Kürbissen, Roter Bete und Brokkoli habe ich auch Yamswurzeln, Erdmandeln, Hirse, Chiasamen, Bärlauch und diese ganzen Superfood-Geschichten. Dieses Jahr habe ich zum Beispiel auch Schlafmohn angebaut. Dafür musste ich mir sogar eine Sondergenehmigung einholen. Aber ich möchte mir gerne mein eigenes Mohnbrötchen backen. Und dann habe ich halt auch Hühner, Gänse, Enten und Bienen. Künftig möchte ich gerne noch Schweine haben.

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Sie reden davon, dass Sie gerne ein Mohnbrötchen backen möchten. Das heißt, Sie machen in der Küche alles selbst?

Um Weizen anzubauen, braucht man eine viel größere Fläche, das ist gar nicht so einfach. Da habe ich es mit Sonnenblumen versucht, um Öl anzubauen und den Nahrungsbedarf zu decken. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass man dabei sehr schnell an seine Grenzen stößt, weil die Vögel mir 95 Prozent der Ernte weggefressen haben. Wenn das einem Bauern auf einem viel größeren Feld passiert, ist das etwas anderes. Der kann das verkraften und die Vögel sind irgendwann auch satt. Mein Garten ist zwar viel größer als der normale Garten, aber zu klein um Landwirtschaft zu betreiben. Aber eigene Tomatensauce oder Marmelade oder sonstiges, das machen wir schon ganz gerne selbst.

Was war denn das erste, was Sie in Ihrem Garten angebaut haben?

Radieschen! Ich hatte gar keine Ahnung, was man anbauen kann, also bin ich einkaufen gegangenen und habe nachgefragt, was gerade Saison hat. Die Samen habe ich reihenweise ausgestreut, sodass ich innerhalb von einer Woche eine ganze Schubkarre voll hatte. Aber wie viel man verteilen muss, das lernt man eben erst mit der Zeit.

Die meisten versuchen sich daran, Tomaten zu pflanzen. Was würden Sie denn jedem empfehlen, der gerne damit anfangen möchte, Gemüse anzupflanzen?

Tomaten sind tatsächlich nicht das Einfachste. Sie müssen wissen, dass die Natur für jede Gemüseart einen Schädling geschaffen hat. Da würde ich eher mit Rote Bete oder Mangold anfangen. Die beiden sind relativ narrensicher und haben weniger Schädlinge.

Sie halten Ihr Hobby in Dokumentationen auf "Youtube" fest. Ihr "Selbstversorgerkanal" hat fast 108.000 Abonnenten — die Aufrufe liegen bei teilweise über 150.000. Aber was genau machen Sie da eigentlich?

Ich besitze keine Flimmerkiste und möchte die Menschen auch gerne wieder mehr in die Natur bringen. Dabei drehe ich dann zum Beispiel Reportagen über Mangold, Kidneybohnen oder auch außerhalb. Dann fahre ich zum Biohof oder zu einer Fischzucht und dokumentiere die Arbeit dort. Beispielsweise kann das auch eine Solaranlage sein oder ich war in einer Bildhauerei in Rommerskirchen, wurde eingeladen zum Zander angeln, war mit einem Jäger in der Eifel unterwegs, bin Mähdrescher gefahren und all solche Dinge. Einmal habe ich sogar alles, was ich geerntet habe, gewogen und festgestellt, dass ich 1,3 Tonnen Nahrung produziere. In Kalorien umgerechnet reicht das nicht einmal annährend aus, um zu überleben. Dazu bräuchte ich Öl und das funktioniert bei mir im Garten einfach nicht.

Wie sah denn Ihre allererste Folge aus?

Ach, am Anfang hab ich spaßeshalber einfach mal drauf gehalten. Mit dem Internet ist das dann besser geworden. Und vor fünf Jahren sind ich und der Kanal dann richtig aufgeblüht. Ich war schon immer neugierig, was es mit den modernen Medien auf sich hat. Ich bin jetzt 53 Jahre alt, in meinem Alter tauchen wenige Personen auf "Youtube" auf. Mittlerweile veröffentliche ich jeden Sonntag und auch teilweise immer Mitte veröffentliche ich eine neue Folge.

Gehen Sie überhaupt noch in den Supermarkt, wenn Sie sich so viel selbst produzieren?

Natürlich. Immer mit denselben Zutaten auf der Einkaufsliste: Milch, Käse und Brot. Meine Ehefrau kauft im Winter auch gerne einmal eine Gurke, davon kann ich sie nicht abhalten. Aber auch ich gehe man in den Dönerladen mit den Kindern. Die sollen ja schließlich aufwachsen wie jedes normale Kind auch. Aber ich versuche auch, auf viel Konsum zu verzichten. Und ich hoffe, irgendwann sehen die Leute, dass kein Handy der Welt eine Kartoffel produzieren kann.

Was ist ihnen wichtig mit Ihrem "Selbstversorgerkanal" zu vermitteln?

Die Gesellschaft verweichlicht. Als ich ein Kaninchen geschlachtet habe, habe ich sehr viel Kritik bekommen, weil das für viele ein Schmusetier ist. Dabei stopfen sie sich die Burger bei Meckes rein, aber sehen, wie etwas geschlachtet wird, das will keiner. In Afrika kann jeder Fünfjährige ein Huhn schlachten. Hier drehen die Leute am Rad, wenn das Huhn nur Husten hat. Und es muss immer billig sein. Das Biogemüse wird aus dem Ausland gekauft und die lokalen Bauern sterben aus. Ich möchte, dass die Leute sich mehr damit befassen und ihre Zeit besser verbringen, als vor der Mattscheibe zu sitzen. Teilweise sind Grundschulkinder im Rahmen einer Exkursion bei mir und haben noch nie ein Huhn gehalten oder wissen nicht, was Rote Bete ist. Das ist erschreckend.

Was glauben Sie, warum ist Ihr "Youtube"-Kanal so erfolgreich?

Mit 108.000 Abonnenten bin ich mit Abstand der erfolgreichste "Youtube"-Kanal, der in diese Richtung geht. Klar, dass Gaming-Kanäle eine Abonnenten-Anzahl von über eine Million haben. Ich fake eben nichts. Wenn sich ein Habicht ein Huhn gekrallt hat, dann zeige ich das Huhn danach auch in die Kamera. Nichts ist geschönt, sondern alles echt.