Presse-Erklärung der „Grevenbroicher gegen Ghettos“ „Blindes Vertrauen“

Wevelinghoven. · Gestern vor einer Woche folgte die Mehrheit des Rates dem bekannt-berühmten Gutachten und erklärte beide Bürgerbegehren in Sachen Flüchtlingsunterbringung für unzulässig. Genau eine Woche danach versandten die aktiv gewordenen Bürger eine Presse-Erklärung.

Uta Bauer-Kernchen und Bianca Frohnert von den „Grevenbroicher gegen Ghettos“.

Uta Bauer-Kernchen und Bianca Frohnert von den „Grevenbroicher gegen Ghettos“.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Wir veröffentlichen die Presse-Erklärung an dieser Stelle im Wortlaut:

„….legt die Axt an den Pfeiler der Demokratie!“ – Unsere Antwort
Aus der Ratssitzung vom 8. April wird der Bürgermeister in allen Medien zitiert „Wir haben Normen zu akzeptieren, sonst setzen wir die Axt an die Demokratie“ (NGZ, Ausgabe 10.04.2024) oder „Das Gutachten anzuzweifeln hieße, „die Axt an den Pfeiler der Demokratie anzulegen“ (so Erft-Kurier, Ausgabe 13.04.24).

Der Bürgermeister unterstreicht mit dieser pathetischen, aber zugleich im Ergebnis diskriminierenden Aussage die Bedeutung, welcher er und die Stadtverwaltung diesem Gutachten des Sachverständigen Harald Hofmann beimisst.

Danach entscheidet letztlich nur dieser Sachverständige – und ansonsten niemand – wie die Vorschrift des § 26 der Gemeindeordnung zur Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens auszulegen ist und soll der Rat zwingend verpflichtet gewesen sein, ihm – umgehend und ohne jede weitere Prüfung – zu folgen.

Das Gutachten bekam damit über die ansonsten bestehende Wirkung eines Rechtsrats hinaus die Wirkung eines rechtsverbindlichen „Schiedsgutachtens“, wenn nicht gar rechtskräftigen Urteils.

Der Bürgermeister behauptet, einen „objektiven und unabhängigen“ Gutachter involviert zu haben, um jeglichen Anschein der Parteilichkeit bei der Einschätzung der Zulässigkeit unserer Bürgerbegehren zu vermeiden.

Fakt ist, dass die Promotion des Gutachters Professor Dr. Hofmann durch ein von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung finanziertes Stipendium unterstützt wurde, und dass sein Name – schon bei erster Google Suche – unter dem Logo der SPD in Nordrhein-Westfalen erscheint.

Wir meinen, diese Tatsachen erlauben zumindest Zweifel an der Objektivität des Gutachters.

Erlaubt sei im übrigen auch die Frage, warum in der Stadtverwaltung ein Fachbereich für die Rechtsangelegenheiten der Stadt unterhalten wird, dem vom Bürgermeister offensichtlich bereits die notwendige Objektivität zur Behandlung von Bürgerbegehren abgesprochen wird.

Unsere Bürgerinitiative wäre froh und dankbar, auf eine steuerfinanzierte Rechtsabteilung zurückgreifen zu können. Auf private Spenden und Zuwendungen unserer Mitglieder angewiesen, können wir von der Beauftragung eines teuren, externen Spezialisten nur träumen.

Die Ratsmitglieder wurden – so der Bürgermeister wörtlich – vor die Wahl gestellt „Schwarz oder Weiß“. Insbesondere die Juristen unter ihnen als Fachleute für Rechtsfragen schwiegen und überließen Nicht-Juristen das Wort. Letztlich wirkten die Ratsmitglieder wie schweigsame Statisten. Die Abstimmung war eine reine Makulatur. Nur die CDU-Fraktion verwies auf Mängel und lehnte die Feststellung der Unzulässigkeit des Begehrens ab.

Nach § 26 Absatz 2 Satz 4 der hier in Rede stehenden Norm ist die Verwaltung in den Grenzen ihrer Verwaltungskraft den Bürgern bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens behilflich. Was heißt das konkret? Dazu beinhaltet das Gutachten des Sachverständigen Hofmann keine Aussage, weil er dazu nicht befragt wurde.

„In den Grenzen ihrer Verwaltungskraft“ verstand der Bürgermeister so, dass eine „Rechtsberatung“ nicht geschuldet sei. Ist das so? Treten Verwaltung und Bürger etwa als Kontrahenten auf? Muss man sich als Bürger teuren Rechtsrat leisten können, wenn man zu einem Bürgerbegehren aufruft? Ist das – zumindest auch – eine Frage des Geldes? Insbesondere um ein Gutachten überprüfen zu lassen, welches auch mit Steuern derer bezahlt wurde, die das Begehren initiiert haben?

Nun, was heißt „Rechtsberatung“? Und macht sie denn Sinn, weil alles so eindeutig schon im Gesetz geregelt ist, dass man nicht lange überlegen und prüfen muss? Warum dann ein Gutachten?

Der § 26 GO regelt eigentlich sehr detailliert, wann ein Bürgerbegehren unzulässig ist. Ein Verstoß gegen den Wortlaut dieser Vorschrift rügt der Sachverständige nicht. Der Sachverständige bemüht hierzu ausschließlich Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster, die aus seiner Sicht zu vergleichbaren Fällen ergangen sind. Darunter Einzelfallentscheidungen, die älter sind als 18 Jahre.

Das ist zulässig, aber eben nicht unbedingt zwingend. Für den Rat war damit zu entscheiden gewesen, ob er dieser Schlussfolgerung jeweils folgt. Hierzu hätte zumindest die Gewissheit bestehen müssen, dass auch heute keine andere, jüngere Entscheidung vorliegt oder aber auch eine andere Auslegung vertretbar ist.

Dazu hätte sich jedes Ratsmitglied mit den von dem Sachverständigen genannten Urteilen näher auseinandersetzen müssen – insbesondere prüfen müssen, ob die jeweiligen Einzelfallentscheidungen auf unser Bürgerbegehren übertragbar gewesen sind und auch heute noch gerechtfertigt sind. Und dies alles nach nur wenigen Tagen, die überhaupt hierfür zur Verfügung standen.

Das war und ist unmöglich. Der Bürgermeister hat nichts anderes als blindes Vertrauen in das Ergebnis des Sachverständigen eingefordert. Wurde dazu der Rat gewählt?

Wer so weit geht und absoluten Gehorsam einfordert, sollte sich zumindest sicher sein, dass das Gutachten selbst zumindest in seiner Entstehung den Anforderungen eines „Schiedsgutachtens“ entspricht, dessen Ergebnis dann für alle Beteiligten verbindlich wäre.

Das setzt zumindest voraus, dass sich zuvor die Beteiligten über die Person des Sachverständigen verständigen als auch über den Sachverhalt, den der Sachverständige zu beurteilen hat. Diese Mindeststandards für ein verbindliches Schiedsgutachten hat die Verwaltung ersichtlich und eindeutig nicht erfüllt – die Verantwortlichen wurden bei der Auswahl des Sachverständigen nicht einbezogen und der zu prüfende Sachverhalt wurde zuvor auch nicht abgestimmt.

Die Verwaltung ist hier in dieser entscheidenden Frage folglich nicht bis an die Grenzen ihrer Verwaltungsmacht gegangen, wie in § 26 Ansatz 2 Satz 4 GO NRW nun einmal ausdrücklich gesetzlich gefordert wird! Wer also hat hier eine Norm nicht beachtet und damit die „Axt an die Demokratie gelegt?“.

Diese Vorgehensweise hat für das Bürgerbegehren dramatische Nachteile. Das Zitat „… legt die Axt an den Pfeiler der Demokratie“ schreckt auf, verunsichert und wurde offensichtlich angeführt, um eine Wirkung auf die Ratsmitglieder, aber auch auf die Bürger zu erzeugen.

Es beinhaltet letztlich die Aussage, wer nicht umgehend die Feststellungen zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens vorbehaltlos akzeptiert und sich weiterhin für das Bürgerbegehren einsetzt, ist schlicht undemokratisch. Dies spüren wir nunmehr, nachdem wir die Bürger aufgefordert hatten, unser Bürgerbegehren weiterhin zu unterstützen und zu unterschreiben. Davor schrecken nun nicht wenige zurück aus Angst, undemokratisch oder gar als rechtsradikal zu gelten.

Die Menschen wollen unterschreiben, trauen sich aber nicht. War das mit der Demonstration auf dem Marktplatz so gewollt? Ist das die erhoffte Wirkung? Glaubt man ernsthaft, damit wachsender Radikalisierung entgegentreten zu können?

Nun, wer hat hier letztlich gewonnen? Die Demokratie? Wer darf sich als wahrer Sieger fühlen? Wer wird nun behaupten dürfen „Ohne uns wird hier zukünftig nichts verhindert?“

Der Bürgermeister hat in der Ratssitzung klargestellt, dass noch weitere Geflüchtete kommen werden, solange es Fluchtgründe gibt. Es wird damit auch noch weitere Container geben. Und solange der soziale Wohnungsbau weit hinter den gesteckten Erwartungen zurückbleibt und der private Wohnungsbau unter steigenden Kosten und Zinsen leidet, wird die Unterbringung in Containern dauerhaft bleiben.

„Wir haben keine andere Wahl“ heißt letztlich, Geflüchtete und schon hier lebende Bürger sich selbst zu überlassen. Irgendwann lautet die Frage dann nicht mehr „Wer legt die Axt an die Demokratie?“ sondern wer verteidigt diese dann noch, wenn es zu ihrem Fall keine Axt mehr braucht?

Genau deswegen werden wir nicht aufgeben. Ob wir es letztlich auf einen Rechtsstreit ankommen lassen werden, hängt nicht zuletzt davon ab, wie viele Bürgerinnen und Bürger den Mut aufbringen, zu unterschreiben, um überhaupt hierüber eine verwaltungsgerichtliche Klärung zu ermöglichen.

Wir jedenfalls stehen für Unterschriften bereit. Wir freuen uns über jede Unterstützung.

Es geht an den Sorgen der Bürger in Grevenbroich vorbei, wenn bei der Entscheidung über Flüchtlingsunterkünfte allein auf Basis juristischer Formalien entschieden wird. Den Bürgern in Grevenbroich ist es herzlich egal, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Bürgerbegehrens erfüllt sind oder nicht.
Sie haben Angst vor Kriminalität, Vermüllung und Verlust an Lebensqualität.

Verbunden mit der Erwägung, dass Massenunterkünfte ja nun auch nicht im Interesse der Schutz suchenden Flüchtlinge sind, haben wir auf Einsicht und Hilfe des Stadtrates gehofft.

Wir wurden enttäuscht.

Ihr Bürgerbegehren „Grevenbroicher gegen Ghettos

(-ekG.)
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