„Insel-Festival“ auf der Raketenstation Das komplette Programm

Kapellen · „Spuren des Spirituellen“ ist das 19. „Insel-Festival“ überschrieben, das in diesem Jahr wieder, wie gewohnt, zu Pfingsten stattfinden kann. Vom 25. bis zum 29. Mai erwartet die Besucher nicht nur ein hochkarätiges Konzertprogramm auf der Raketenstation, sondern überdies die Eröffnung der Ausstellung mit Werken des niederländischen Malers Bart van der Leck (1876-1958).

Impression vom „Insel-Festival“ in 2021: Die Klangwanderung fotografierte Angela van den Hoogen.

Impression vom „Insel-Festival“ in 2021: Die Klangwanderung fotografierte Angela van den Hoogen.

Foto: Hoogen

Die Spurensuche beginnt am 25. Mai um 19 Uhr mit der Eröffnung einer neuen Ausstellung, die dem niederländischen Maler Bart van der Leck (1876-1958) gewidmet ist – einem Klassiker der Moderne, der neben Piet Mondrian, Theo van Doesburg und anderen maßgeblich an der Entstehung des legendären Stijl beteiligt war.

Erstmals werden die umfangreichen Bestände, die eine der größten Van-der-Leck-Sammlung weltweit darstellen, in einer Werkschau zusammengeführt und in ihrer thematischen Vielfalt präsentiert. Im Dialog mit zeitgenössischer internationaler Kunst verdeutlicht die Ausstellung im Siza-Pavillon die künstlerische Relevanz und Konsequenz des Schaffens van der Lecks.

Tags drauf, am 29. Mai, findet in der Veranstaltungshalle das erste der zehn Insel-Konzerte statt, in dem das „GrauSchumacher Piano Duo“ sogleich zwei zentrale Namen des diesjährigen Festivals in einem Atemzug nennt: Johann Sebastian Bach und György Kurtág. Der 1926 geborene Grandseigneur der ungarischen Avantgarde ist mit drei vierhändigen Bach-Bearbeitungen sowie seiner Einrichtung der Sieben Worte von Heinrich Schütz zu hören – einer Kollektion subtiler Arrangements, denen unschwer anzumerken ist, dass der vermeintliche Neutöner sehr wohl wusste, wo seine spirituellen Wurzeln zu finden sind. Mit einem mächtigen Kontrapunkt beschließt Olivier Messiaen das Programm: Seine sieben Visions de l’Amen aus dem Kriegsjahr 1943 sind musikalische Grundpfeiler einer kosmischen Kathedrale, an deren Existenz der Komponist und Ornithologe nicht den geringsten Zweifel hatte.

Dr. Michael Werhahn (Verein zur Förderung des Kunst- und Kulturraumes Hombroich), Sarah Kamin (Festival-Organisation) und Dr. Rainer Wiertz (künstlerischer Leiter). Foto: Gerhard P. Müller

Dr. Michael Werhahn (Verein zur Förderung des Kunst- und Kulturraumes Hombroich), Sarah Kamin (Festival-Organisation) und Dr. Rainer Wiertz (künstlerischer Leiter). Foto: Gerhard P. Müller

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Am 27. Mai, dominiert zunächst die Musik der alljüngsten Vergangenheit das Geschehen. Der französische Pianist Thibaut Surugue, der vor zwei Jahren mit dem Förderpreis des Landes ausgezeichnet wurde, präsentiert in der Veranstaltungshalle ein ganzes Arsenal musikalischer Miniaturen aus Ungarn, Deutschland und den USA, deren „älteste“ (zwei Etüden von György Ligeti) aus den neunziger Jahren stammen.

Alle anderen sind Kreationen des neuen Jahrtausends: die Inventions des Amerikaners Tom Coult (deutsche Erstaufführung), die Shadowlines seines Landsmannes George Benjamin, Tagebucheintragungen des Deutschen Georg Kröll, dem langjährigen künstlerischen Berater des „Insel-Festivals“, und zwei Miniaturen des bereits vorgestellten György Kurtág – zwei der Jatékok („Spiele“) für Klavier, die er Georg Kröll beziehungsweise György Ligeti gewidmet hat.

Ligetis erstes Streichquartett steht dann im Mittelpunkt des Konzertes, das das Simply Quartett“ ab 19 Uhr in der „Langen Foundation“ geben wird: Eingefasst von Joseph Haydns Streichquartett D-dur op. 20 Nr. 4 und Felix Mendelssohns sechstem Streichquartett f-moll op. 80, sind die „Metamorphoses nocturnes“ aus den Jahren 1953/54 ein klares Bekenntnis zu den Spuren, die der Vater der ungarischen Moderne – Béla Bartók – im Schaffen der jüngeren Generationen hinterlassen hat.

Im „Haus für Musiker“ beginnt am Pfingstsonntag um 11 Uhr eine Matinee des „Trio Recherche“ mit Melise Mellinger (Violine), Sofia von Atzingen (Bratsche) und Åsa Åkerberg (Violoncello). Mit diesem Konzert erreicht die Spurensuche die aktuelle Gegenwart: Helmut Lachenmann (*1935) kommt mit seinem neuen Streichtrio Nr. 2 zu Worte, das das „Trio Recherche“ vor wenigen Monaten in Donaueschingen uraufgeführt hat.

Ergänzt wird das Programm durch die Werke zweier „Insulaner“: Der bereits vorgestellte Georg Kröll ist mit der 2001 entstandenen Einrichtung zweier Chansons von Gilles Binchois vertreten, und der seit 1995 auf der Insel Hombroich lebende Christoph Staude (*1965) überlässt es den Musikerinnen, die Spuren des Spirituellen in seinem Streichtrio aus dem Jahre 1996 zu entdecken.
Am Sonntagnachmittag bietet sich den Besuchern der Insel Hombroich die Gelegenheit zu einer Baustellenbesichtigung: Unter der Führung des Architekten Dr. Ekkehard Kandler beginnt um 15 Uhr im Park des „Museums Insel Hombroich“ ein Rundgang zu den verschiedenen Bauwerken, die derzeit restauriert werden, um künftig in neuem Glanz ihre Aufgaben als Relaisstationen zwischen Kunst und Natur zu erfüllen.

Die beiden nachfolgenden Konzerte sprechen für sich, denn sie gelten einem der Schnitt- und Kreuzungspunkte des abendländischen Musizierens: Johann Sebastian Bach. In zwei Abteilungen spielt der französische Cellist Bruno Philippe im „Haus für Musiker“ sämtliche Solosuiten des Köthener Kapellmeisters und nachmaligen Thomaskantors, von dessen Œuvre ganze Garben spiritueller Kräfte in alle Welt ausstrahlen (Beginn: 17 und 19 Uhr).

Mit Johann Sebastian Bach beginnt auch der musikalische Teil des Pfingstmontags. Unter der Überschrift Mindful Listening“ („achtsames Hören“) spielt der georgische, in Budapest aufgewachsene Pianist und Komponist Nicolas Namoradze um 11 Uhr in der Veranstaltungshalle zunächst eine Auswahl „wohltemperierter“ Präludien und Fugen; ihnen folgen verschiedene Etüden aus György Ligetis Sammlung sowie einige eigene Stücke, bevor die Matinee mit Franz Schuberts großer B-dur-Sonate D. 960 ihr denkwürdiges Ende findet – denkwürdig auch insofern, als die Werke von „gelenkten“ Meditationen begleitet und durch diese zu noch intensiveren, aktiveren Erlebnissen werden.

Um 15 Uhr besucht eine musikalische Legende aus der Nachbarstadt Düsseldorf das „Insel-Festival“: Oskar Gottlieb Blarr, der Komponist, Organist und langjährige Kirchenmusiker an der Neanderkirche, gastiert mit den Saxophonisten Wardy Hamburg und Frank Timpe sowie dem Akkordeonisten Marko Kassl in der Veranstaltungshalle, um unter anderem eine neue Kreation aus dem Vorjahr aus der Taufe zu heben – sein Trio für zwei Saxophone und Akkordeon „in honorem Karl-Heinrich Müller“, mithin seine persönliche Hommage an den Kopf hinter dem einzigartigen Museum und der Raketenstation, der weithin unübersehbare Spuren des Spirituellen auf einem ganz besonderen Gelände hinterlassen hat.

Die diesjährige Klangwanderung beginnt am Pfingstmontag um 17 Uhr an der Raketenstation und verspricht ein außerordentlich anregendes, überraschendes Unternehmen zu werden, denn der Klarinettist Jonathan Leibovitz und der Cellist Maciej Kulakowski haben für ihre drei „Auftritte“ Musik des 20. Jahrhunderts ausgewählt, die auf jeweils eigene Weise allen avantgardistischen Strömungen aus dem Wege gegangen ist. Der Russe Reinhold Glière schrieb mit seinen Acht Stücken op. 39 eine Hommage an die Formen des Barock, die Amerikanerin Rebecca Clarke huldigte mit Prelude, Allegro und Pastorale einer scheinbar vergangenen Romantik – und die Suite „Off Pist“ des Schweden Svante Henryson (*1963) tritt den virtuosen Beweis an, dass es auch in der Gegenwart möglich ist, mit einem „klassischen“ Instrumentarium zugleich aktuell, originell und unterhaltsam zu sein.

Um 19 Uhr folgt in der Veranstaltungshalle der Schlusspunkt des diesjährigen 19. „Insel-Festivals“. Unter dem Titel „Sounds of Silence geben der Bariton Benjamin Appl und sein Klavierbegleiter Simon Lepper ein überaus breit gefächertes Liedrezital, in dem sich auf mannigfache Weise die Spuren des Spirituellen kreuzen und wechselseitig verstärken: Gregorianischer Gesang und Franz Schubert, Robert Schumanns Liederkreis op. 39, Charles Ives, Richard Strauss und James McMillan – da entstehen Verbindungen, die nur entstehen können, wenn zwischen den einzelnen Geistern keine gähnende Leere herrscht, sondern ein erfüllter Raum besteht, in dem sich auch scheinbar weit voneinander entfernte Punkte berühren.


Weitere Informationen: www.foerderverein-hombroich.de

(-ekG.)
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