Die Präsidenten geben Antworten Der Klecks Mayo bringt´s ans Licht

Grevenbroich · Detlef Bley, Präsident des Bürger-Schützen-Vereins in der Innenstadt, ist ein Freund klarer Worte. Er spricht sie aus und steht dann auch zu seiner Meinung. Im großen Präsidenten-Interview, das der Erft-Kurier jedes Jahr führt, machte Bley sich viele Gedanken um die Zukunft des Schützenwesens in der Schloss-Stadt. Noch sind die Corona-Folgen nicht ganz überstanden, da drücken neue Sorgen. Wie die Kosten. Und die „woken“ Anforderungen an einen modernen Brauchtumsverein.

Wir haben seinen Beitrag zum Anlass genommen, auch mal bei anderen Schützen-Präsidenten nachzufragen. Hier finden Sie ihre Antworten.

Das erste Jahr rheinischer Sommerbrauchtum ohne Corona-Sorgen. Was war das für ein Gefühl?

Swen Friedrich, „Gemeinschaft der Südstadt“: Es war ein sehr schönes befreiendes Gefühl. 2022 war Corona noch sehr präsent, die Königin hat ihre Abkrönung deswegen verpasst und wir wurden von Tag zu Tag weniger. Dieses Jahr war es wieder ein ganz normales Fest ohne Ängste; das konnte man bei allen merken.

Manfred Holz, BSV Orken: Wir sind sicher alle sehr froh, dass die Zeiten des „Nichtfeierns“ vorbei sind. Das hat sich auch deutlich bei unserem diesjährigen Schützenfest sowohl bei den Schützen, als auch bei den Gästen bemerkbar gemacht. Wir hatten den besten Samstag aller Zeiten, weil einfach alle feiern wollten. Auch an den anderen Tagen herrschte eine super Stimmung.

Wolfgang Kaiser, BSV Neukirchen: Es war einfach nur schön! In Neukirchen feiern wir schon Mitte Mai unser Schützenfest, sodass nicht nur Corona, sondern auch der Übergang aus der tristen Jahreszeit bei schönem Wetter auf dem Schützenplatz, den Straßen und im Zelt gefeiert wurde. Man konnte die Unbeschwertheit der Festteilnehmer förmlich spüren, das Feier-Gen wurde von allen aufgesogen und gelebt. Von Corona war – Gott sei Dank – nichts zu spüren.

Jürgen Moll, „St. Sebastianus“-Schützen-Bruderschaft Gindorf: Das Gefühl war super. Wir hatten zu unserem Broerfest eine tolle und freundschaftliche Stimmung. Die Corona-Zeit war für uns rückblickend sogar eine Chance hinsichtlich Zusammenhalt untereinander und Ausrichtung der Vereinsaktivitäten. Resultierend haben wir in diesem Jahr erstmalig unser Fest mit der Krönungsfeierlichkeit am Freitagabend gestartet und es war wirklich ein voller Erfolg. Das Zelt war bis auf den letzten Platz besetzt und für unsere Königpaare war dies eine tolle Kulisse. Und gerade der Zusammenhalt wurde dann zum Abschluss des Festes beim Königsvogelschuss am Montagnachmittag nochmal sehr deutlich. Wenn auch etwas spontan hatten wir nach 34 Jahren erstmalig wieder zwei Schützenpaare an der Vogelstange stehen und durften dann einen spannenden Wettkampf erleben, der voller Harmonie zwischen den Kandidaten einen verdienten Sieger fand. Und die Antwort des Verlierers war spontan: „Dann halt im nächsten Jahr“. Das ist doch gelebte Schützengemeinschaft.

Marcus Odenthal, BSV Wevelinghoven: Es war für uns ein tolles Schützenfest mit Rekordbesuch am Samstag und Montagabend im Festzelt. Dies hat natürlich mit der etwas lockerere Umgehensweise mit Corona zu tun. Leider ist Corona immer noch da und wir werden auch zukünftig damit leben müssen. Wir tragen weiter dafür Sorge und haben Filteranlagen im Zelt stehen und auch zwei professionelle Waschstraßen für die Gläser mit über 90 Grad Waschtemperatur.
Man merkt natürlich, dass die Leute damit befreiter und sicherer damit umgehen; jeder war froh, dass es endlich wieder ungezwungener ist und man sich lockerer geben kann. Dies hilft nicht nur uns, sondern der ganzen Gesellschaft. Trotzdem werden wir weiterhin bei unseren Veranstaltungen präventiv unterwegs sein.

Detlef Wittig, BSV Barrenstein: Es war ganz einfach ein beruhigendes Gefühl, und das hat gut getan.
Im vorigen Jahr, zum 75-jährigen Bestehen des BSV Barrenstein, gab es noch Einschränkungen
und diverse Corona bedingte Ausfälle in unserem Umfeld. Umso schöner war es dann, in diesem Jahr wieder weitestgehend sorgenfrei zu feiern. Wir hatten ein rundum gelungenes Schützenfest in Barrenstein, mit einem tollen Königspaar, das alle mitgerissen hat. Kurzum: ob jung, ob alt, es hat allen mal wieder richtig Spaß gemacht.

Steigende Stromkosten, steigende Musikkosten, Sorgen um Festzelt und Kirmesplatz – geraten die Schützenvereine finanziell in Schieflage?

Swen Friedrich, „Gemeinschaft der Südstadt“: Es wird zumindest immer schwieriger. Wir als Südstadt sind da noch extremer von betroffen, da wir ja selber Zeltwirt sind, also auch das Umsatzrisiko tragen. Man muss daher innovativ sein und alles hinterfragen, darf vor keiner noch so alten Tradition haltmachen. Hätten wir 2019 zum Beispiel nicht das Schützenfest von Freitag bis Montag umgestellt, wäre es jetzt finanziell zumindest deutlich schlechter als jetzt. Und so wird’s immer weitergehen. Einfach jedes Jahr das gleiche machen wie immer, funktioniert nicht mehr…

Manfred Holz, BSV Orken: Da ich nicht nur Präsident des BSV Orken bin, sondern auch Vizepräsident der Präsidentenrunde, bekomme ich die Themen ja von allen Vereinen mit. Und es beschäftigt auch alle, dass es bezüglich der Stromversorgung kein Solidarverhalten mehr gegenüber den Vereinen mehr gibt, wie es vor Jahren noch angesagt war. Hier wird das Monopol ausgenutzt, weil wir keine Alternative mehr haben. Was wir auch mit Besorgnis bemerken sind die extrem gestiegenen Preise bei den Imbissen. Hier sind manche Dinge nicht mehr nachvollziehbar, wenn zum Beispiel für die Portion Mayonnaise einen Euro Aufschlag genommen wird. Dann werden auch noch die Getränke immer teurer, und dadurch wird ein Schützenfest insgesamt immer teurer.
Wenn die Musikkosten – sowohl Straßen- als auch Zeltmusik – auch noch immer mehr werden, dann haben wir als Vorstand wieder das Thema „Beitrag“. Was können wir unseren Schützen noch zumuten?

Wolfgang Kaiser, BSV Neukirchen: Alle Schützenvereine, Bruderschaften und Kirmesgesellschaften blicken schweren Zeiten entgegen. Die Kosten steigen, und für viele davon kann man Verständnis aufbringen, jedoch nicht für alle, wie im Fall der Stromkosten. Man kann die Einnahmeseite nicht immer nur durch Beitragserhöhungen steigern, damit die Schützenvereine überleben können. Grundsätzlich müssen alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden, auch auf die Gefahr hin, dass manch lieb gewordene Tradition vielleicht wegfallen muss. Das sollte aber der letzte Schritt sein, denn gerade Brauchtum und Tradition sind unser Lebenselixier. Und in diesem Sinne wäre eine noch größere Unterstützung seitens der Stadt Grevenbroich wünschenswert. Ein konkretes Beispiel: Absperrgitter und Ähnliches werden kostenfrei gestellt, aber um den kompletten Rest muss sich jeder Verein selbst kümmern. Aufgrund der heutigen hohen Auflagen und Vorschriften entstehen den Vereinen hier hohe Kosten.

Jürgen Moll, „St. Sebastianus“-Schützen-Bruderschaft Gindorf: Hier muss ich etwas differenziert antworten. Ja, grundsätzlich erleben wir aktuell eine Preisspirale nach oben, ob im privaten Leben oder im Schützenwesen, die eine Haushaltsentwicklung für die Zukunft nur sehr risikobehaftet vorhersagen lässt. Wir im Vorstand sind uns jedoch einig, dass wir in den nächsten Jahren auf Grund der Gesamtentwicklung auf Beitragserhöhungen verzichten wollen und favorisieren hier eher zu hinterfragen, ob alle Angebote erforderlich sind oder ob wir über zweckgebundenes Sponsoring ausgleichen können.
Und ja, gerade das Thema Musik, ob Marschmusik oder Tanzmusik, hat sich überproportional preislich nach oben entwickelt. Wir sind jedoch noch in der glücklichen Lage, innerhalb unseres Ortes ein Heimat-Tambourcorps zu haben, deren Musiker aktive Mitglieder unserer Bruderschaft sind. Dieses ermöglicht uns, und darüber sind wir sehr froh, einen festen Anker für gute Marschmusik in den eigenen Reihen zu haben.
Beim Thema Kirmesplatz ist die Situation sicherlich auch nicht einfacher geworden. Leider hatten wir in Gindorf in diesem Jahr erstmalig kein Großfahrgeschäft. Die Ursachen sind hier sehr vielfältig. Auch die Schausteller sind von gestiegenen Kosten und vom Thema Arbeitskräftemangel betroffen und leider sind dann die etwas kleineren Schützenfeste die ersten, die wirtschaftlich betrachtet hinten runterfallen. Wir sind hier aber in einem sehr engen und konstruktiven Austausch mit der Stadt Grevenbroich, und der Marktmeister Dorozalski ist hier sehr bemüht gemeinsam mit uns Lösungskonzepte für die kommenden Jahre zu entwickeln.
Beim Thema Festzelt setzen wir seit Jahren schon auf Konstanz und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unserem Zeltwirt. Auch hier haben wir die Corona Zeit genutzt und in engem Austausch mit unseren Vertragspartnern ein neues Zeltkonzept erarbeitet. Das Ergebnis dieses konstruktiven Austausches ist eine Zelt-Neukonzeption und die trifft bei unseren Schützen auf große Zufriedenheit.

Marcus Odenthal, BSV Wevelinghoven: Dies ist ein enormes Problem, welches uns auch bei den diesjährigen Veranstaltungen getroffen hat – und zwar nicht zu knapp. Wir gehen dieses Thema in der Präsidentenrunde in der Stadt zusammen mit den dafür Verantwortlichen an. Für die Vereine, welche das öffentliche Leben nicht nur durch die Schützenfeste gestalten, ist dies eine unzumutbare Maßnahme. Hier besteht Redebedarf und diese Gespräche werden wir auch führen.

Detlef Wittig, BSV Barrenstein: Wir kennen natürlich die Probleme, die unsere Freunde aus den anderen Vereinen mit den Zelten und der Energieversorgung haben. Zeltverleih, Aufbau, Ausstattung, Beschaffenheit der Bühne und auch die Anschlusskosten treiben die Kosten nach oben.
Und egal ob Tambourcorps oder Musikverein, Band oder DJ, unabhängig von den gestiegenen Kosten wird es immer schwieriger jemanden zu verpflichten. Nicht zu vergessen sind auch die Abgaben an die GEMA, die ständig steigen.
Wir sind jedenfalls aktuell mehr denn je froh darüber, in Barrenstein die Schützenhalle zu haben, auch wenn die laufenden Kosten dafür gestiegen sind. Außerdem wurde einiges für erforderliche Renovierungen aufgewendet. Bisher sind wir aber gut über die Runden gekommen und sehen uns gut aufgestellt.

Detlef Bley aus der Innenstadt sagt: „Uns interessieren weder Geschlecht noch Religion noch die Herkunft“. Wir handhabt Ihre Schützenverein das?

Swen Friedrich, „Gemeinschaft der Südstadt“: Bei uns können schon seit über 15 Jahren Frauen aktiv mitmachen. Wir haben mehrere passive Frauenzüge und einen aktiven Frauenzug sowie eine Frau, die nächstes Jahr zur Königin gekrönt wird. Als multikultureller Stadtteil freuen wir uns zudem auch über Mitglieder jeder Religion und Herkunft, wobei das Interesse dazu noch relativ gering ist.

Manfred Holz, BSV Orken: Da sind wir mit unseren Schützen und Angehörigen garantiert weltoffen. Wir haben als einer der ersten Schützenvereine die Tür geöffnet für Mädels, damit sie bei der Jugend mitmachen können. Und so gehen wir auch insgesamt mit unseren Mitmenschen um: Keiner schaut auf die Hautfarbe, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung. Wir sind froh und dankbar über jeden, der bei uns im Verein mitmachen oder auch nur mitfeiern will.

Wolfgang Kaiser, BSV Neukirchen: Die Aussage des Schützenkollegen Bley kann ich nur unterschreiben. Das Thema von Mädchen und Frauen im Schützenwesen ist derzeit eine Frage in vielen Vereinen und wird Land auf und Land ab oft unterschiedlich diskutiert. Brauchtum und Tradition auf der einen, neuzeitliche Anschauungen und die Moderne mit der Stellung der Frauen in unserer Gesellschaft auf der anderen Seite. Im BSV Neukirchen ist der Vorstand bislang noch nicht auf dieses Thema angesprochen worden, folglich haben wir uns noch nicht ausführlicher damit befasst. Dieses Thema sollte von den Mitgliedern und nicht proaktiv vom Vorstand in den Schützenverein getragen werden. Erst vergangenes Jahr haben wir die Einführung von Passiven unabhängig des Geschlechts beschlossen; eine angepasste Satzung ist in Vorbereitung. Und gerade diese Passiven sollen einen höheren Stellenwert erfahren, und das ist gut so! Alles Weitere wird die Zeit zeigen.

Jürgen Moll, „St. Sebastianus“-Schützen-Bruderschaft Gindorf: Diese Aussagen von Detlef Bley teile ich zu 100 Prozent. Wir als Gindorfer Bruderschaft haben schon mindestens seit den 70er Jahren in unserer Satzung eine Offenheit gegenüber männlichen und weiblichen Mitgliedern. Dieses spiegelt sich auch in unserer aktuellen Vereinszusammensetzung wieder. Neben den vereinszugehörigen weiblichen Marschmusikerinnen im Tambourcorps Gustorf-Gindorf haben wir seit über zehn Jahren eine weibliche Schützengemeinschaft in unserer Bruderschaft dabei.
Neben der Teilnahme an allen Bruderschaftsveranstaltungen und in unseren Umzügen sind diese jungen Frauen in vielen karitativen Bereichen rund um unsere Bruderschaft und unser Dorfgeschehen aktiv dabei. Und auch unser Vorstand darf sich glücklich schätzen mit zwei weiblichen Mitgliedern zusammenarbeiten zu dürfen.
Zum Thema Religion und Herkunft: Ja, wir sind grundsätzlich eine Bruderschaft, die an den christlichen Werten ausgerichtet ist. Aber genau diese Werte geben uns ja auch die Offenheit, jedem Menschen, der das Interesse bekundet, sich unserer Vereinigung anzuschließen, und der somit bereit ist, mit uns gemeinsam die Grundsätze unserer Gemeinschaft zu leben und zu akzeptieren, die Tür zu öffnen, und willkommen zu heißen, um mit uns Schützengemeinschaft leben und erleben zu dürfen.

Marcus Odenthal, BSV Wevelinghoven: Für unseren BSV Wevelinghoven stellt sich überhaupt nicht die Frage. Wir gehen damit auch nicht in die Öffentlichkeit oder müssen dies werbewirksam in Presse und Medien äußern, da es für uns eine Selbstverständlichkeit ist und wir es seit mehr als 99 Jahren so leben und umsetzen. Bei uns war schon und wird auch zukünftig JEDER willkommen sein.

Detlef Wittig, BSV Barrenstein: Die Aussage meines Kollegen kann ich grundsätzlich so unterstreichen. Das sollte in der heutigen Zeit eigentlich auch kein Thema mehr sein. Wir haben in diesem Jahre erstmals einen „Kinderschützenzug“ beim Umzug dabeigehabt, bestehend aus Jungen und Mädchen. Das wollen wir im nächsten Jahr fortsetzten und ausbauen.

(Gerhard P. Müller)
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