„Das Rathaus hat aus Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt“

Grevenbroich. „ · „Niemand darf glauben, dass die Bürger im Bahnhofsquartier die asylsuchenden Menschen ablehnen und keine Asylbewerberunterkunft im Quartier wollen. Die Frage ist nur, was ein Quartier insgesamt an Problemfeldern auffangen kann.“ Martina Suermann, Bürgermeister-Kandidatin von „Mein GV“, die selbst in dem Viertel wohnt und die nicht nur deshalb für das Karrée kämpft, spricht nach der Bekanntgabe der städtischen Pläne, am Bahnhof das feste Flüchtlingsheim zu bauen, im Erft-Kurier Klartext.

Seit Jahren kämpft das Bahnhofsquartier mit dem Trading-Down-Effekt einer City-Randlage und mit umfassenden Problemen durch soziale und gesellschaftliche Entmischung. Durch die teils hohe Wohnungsbelegung im Quartier und den hohen Anteilen von Menschen mit Migrationshintergrund ist das Miteinander im Quartier aus Sicht einiger Bürger konfliktbehaftet“, formuliert es Martina Suermann.

Zu dieser Erkenntnis komme auch das integrierte Stadtentwicklungskonzept ISEK: „Geschäftsleute des Nahversorgungsstandortes und Anwohner fühlen sich von der Innenstadt abgehängt. Die Eigentümer haben auch auf Grund der vorherrschenden Situation nur noch wenig in ihre Immobilien investiert; die Gebäude sind an vielen Stellen in schlechtem Zustand“, zitiert sie dieses ISEK-Konzept.

Und sie nennt Fakten: Das Bild des Bahnhofsviertel würde geprägt von Einrichtungen wie der Wohnungslosenhilfe, der Drogenberatung, dem „Grünen Finanzamt“ mit der Methadonausgabestelle im MZV, von zahllosen Wettbüros und Spielhallen, von Internetcafes und Grevenbroichs florierendem Bordell an der Orkener Straße. „Einzelne noch hochwertige Nutzungen wie Anwaltsbüro oder Restaurants (unter anderem die „Traube“ als Sternelokal) existieren nicht mehr; eine qualifizierte Nachnutzung ist nicht absehbar. Hinzu kommen Leerstand, Verfall und eine ungewisse Nachnutzung des ,braunen Finanzamtes’“, so die kompetente Ratsfrau.

Und weiter: „Die Anwohner und Gewerbetreibenden leben seit langem in der Sorge, dass der Trading-Down-Effekt nicht mehr aufzuhalten ist, wenn nicht alsbald eine Trendwende und eine positive Entwicklung voran kommt.“ Eine Hoffnung sei, dass die im Bereich der Merkatorstraße liegenden Potenzialflächen, ein Mischgebietsstandort und ein Wohngebiet, gemäß der Empfehlungen des integrierten Stadtentwicklungskonzept ISEK, zukünftig für stadtnahe gewerbliche Entwicklung genutzt würden und es zu einer positiven Nutzung jenseits der Bahnlinie kommen werde.

„Obwohl die Verwaltung die Problemlage des Quartiers nur zu gut kennt, stehen nun Pläne zur Diskussion, im Entwicklungsgebiet Merkatorstraße eine Asylbewerberunterkunft für zunächst 100 Menschen und mit einer Option auf Erweiterung zu errichten. Leider wurden diese Pläne nicht frühzeitig im politischen Raum und in der Bevölkerung diskutiert“, greift Martina Suermann die Stadt und damit Dezernent Claus Ropertz an. Wieder einmal hätte sie als Ratsmitglied erst aus der Presse erfahren müssen, was seitens der Verwaltung in der Vorplanung ist. „Aus den Kommunikationsfehlern der Vergangenheit in Bezug auf die Übergangs-Containerlösung in Gindorf oder der Umbau der Viktoria-Schule in Neurath hat die Verwaltung offenbar nichts gelernt“, lautet Suermanns bitterböse Resümee. Es sei von höchster Bedeutung, dass die Menschen die Asyl beantragen, menschenwürdig und gut untergebracht werden. „Die Menschen sind uns willkommen und wir wollen sie in unsere Gesellschaft integrieren. Es ist wichtig, dass die Menschen ein solides Dach über dem Kopf haben und nach gängigen Sozialstandards versorgt werden, noch wichtiger ist allerdings die Integration in das unmittelbare, nachbarschaftliche Leben, die Teilhabe an gesellschaftlichem Miteinander in einem Quartier. Dies setzt Akzeptanz in der Bevölkerung voraus, deshalb müssen die Bürger eingebunden und in die Planungen einbezogen werden“, ist sich Martina Suermann sicher.

Ihr Fazit: „Auf Grund der bereits vorhandenen, erheblichen Probleme im Bahnhofsquartier erfüllt der Standort die Voraussetzung für den Bau eines Asylbewerberheimes für die in Rede stehende, erhebliche Anzahl von Menschen und die kurzfristige Unterbringungszeit nicht. (...) Die asylsuchenden Menschen werden vor diesem Hintergrund kaum Chancen, haben sich im Quartier zu integrieren.“

Die Bürgermeister-Kandidatin will aber nicht den Eindruck hinterlassen, „dass in der Mitte der Stadt kein Platz für die asylsuchenden Menschen ist. Im Gegenteil, einige Bewohner des Bahnhofsquartiers engagieren sich seit langem ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und integrieren die Asylbewerber in ihre Familien und Freundeskreise.“ Dennoch müsse darüber nachgedacht werden, ob ein anderer zentraler Standort, zum Beispiel im Bereich des Hagelkreuzes oder eine Teilfläche des Lange-Walker-Geländes vor allem die sozio-psychologischen Voraussetzungen besser erfüllen kann.“

Auch sei zu prüfen, ob nicht auch Flächen im Bereich des Bahnhaltepunktes Kapellen, im Bereich des Marktplatzes in Wevelinghoven oder die ehemalige Friedhoferweiterungsfläche am Lerchenweg in Frage kommen könnten. Auch in diesen Bereichen seien Nahversorgung und ärztliche Betreuung direkt und durch die gute Erreichbarkeit mit ÖPNV sichergestellt.

Fazit der engagierten Ratsfrau aus dem Bahnhofs-Carrée: „Die Menschen im Bahnhofsquartier waren und sind stets hilfsbereit und tolerant, ansonsten würde das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen nicht annähernd so funktionieren, wie bisher. Eine geringere Anzahl von Asylbewerbern, oder einige Familien, die möglicherweise auch längerfristig bleiben können, würden sicherlich im Bahnhofsquartier ein stabiles und gutes, neues Zuhause finden und die Willkommenskultur der Anwohner positiv spüren.“

(Kurier-Verlag)
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