Wir züchten uns den Nachwuchs selbst

Mit einer 95-jährigen Vereinsgeschichte kann man das Tambour-Corps "Rheinklänge" Neukirchen getrost als Institution im Ort bezeichnen.Doch trotz des hohen Alters gibt es keine Nachwuchssorgen, die Musikersind aktiv wie eh und je.

Wir züchten uns den Nachwuchs selbst
Foto: Hanna Loll

An ihrer Spitze steht seit 18 Jahren der Gubisrather Hans-Jürgen Berg, der mit Leib und Seele dabei ist. Sobald er seinen Keller betritt, beginnen die Augen von Hans-Jürgen Berg zu funkeln: In einem Hobbyraum hat er
hier nicht nur eine Sammlung Fotos, sondern präsentiert auch stolz alte Instrumente aus der Nachkriegszeit und Dokumente der Corpsgründer.
"Für mich ist dieser Raum hier viel mehr als nur ein Keller — hier schwelge
ich in Erinnerungen", schwärmt der 54-Jährige. Als Querflötist ist er seit
38 Jahren im Corps, seit 25 Jahren gehört er dem Vorstand an.

Auf die Frage, wie er es schließlich zum Vorsitzenden geschafft hat,
antwortet er schmunzelnd: "Naja, das lag irgendwie in der Familie ... Vor mir war nämlich mein Onkel der Vorsitzende des Corps." Überhaupt ist die Familie im Verein von besonderer Bedeutung, besteht er doch aus vier Familien, die generationsübergreifend im Corps mitwirken. "Wir züchten unseren Nachwuchs selbst", lacht Ehefrau Anne Berg, deren Familie ebenfalls fest in den "Rheinklängen" verwurzelt ist — und zwar von
Anfang an. Und das stimmt zweifellos, schließlich spielt ihr gemeinsamer Sohn Alexander (24) ebenfalls Querflöte im Tambour-Corps und bringt sich als zweiter Kassierer auch in die administrative Arbeit ein.

Als Vorsitzender hat Hans-Jürgen Berg von solch organisatorischen Tätigkeiten eine Menge zu erledigen. Bei einem 52 Mann starken
Verein mit vier Ehrenmitgliedern, etwa 200 passiven Mitgliedern und rund 30 offiziellen Auftritten im Jahr keine leichte Aufgabe. Er erzählt: "Als Vorsitzender habe ich gemeinsam mit dem Kassierer vor allem eine
geschäftsführende Position inne, das heißt, sollte etwas schief gehen, sind
wir haftbar." Das sei jedoch bisher nie vorgekommen. Er verrät: "Ich sorge für die komplette innere Struktur des Vereins, halte die Mitglieder bei Laune und bin sozusagen das ,Mädchen für alles‘. Steht ein größeres Fest an, wie beispielsweise die Feier zum 95-jährigen Bestehen im Oktober, ist natürlich mehr zu tun. Zusammen mit dem ersten Schriftführer stand ich seit Januar im ständigen Kontakt mit der Stadt, der Feuerwehr und den Behörden, um alle notwendigen Genehmigungen zu erhalten."

Seine Arbeit macht ihm Spaß, wenn auch viel zu tun ist. Berg weiß um die
Verantwortung, die er trägt: "Arbeitsintensive ehrenamtliche Tätigkeiten werden häufig nicht gern bekleidet." Jeden Montag trifft sich "Rheinklänge" im Sportheim, das normalerweise an diesem Tag geschlossen ist und nur für das Corps geöffnet wird. Im Repertoire hat der Verein rund 50 Märsche, die jedes Jahr auch mal wechseln können, einige Martinslieder und ein paar Karnevalslieder.

Das Tambour-Corps muss schließlich gut vorbereitet sein; die Veranstaltungen die jährlich auf dem Plan stehen sind vielfältig. "Neben
den Schützenfesten in Neuss-Hoisten, Kaarst-Büttgen, Aldenhoven, Gohr
und natürlich Neukirchen haben wir im vergangenen Jahr an Fronleichnam auch in Neuss-Holzheim gespielt und hoffen, dass dieser Auftritt jetzt Tradition wird. Beim Bundesschützenfest in Büttgen waren wir sogar beim Zapfenstreich dabei", erzählt der Vorsitzende nicht ohne Stolz. Jeden April treffen sich die Mitglieder nach einer Messe für die Verstorbenen für die
Totenehrung am Ehrenmahl, am Samstag vor dem ersten Advent gibt es einen Kameradschaftsabend mit allen Corpsmitgliedern, Familien und Freunden und auch bei der traditionellen Weihnachtsfeier am Samstag vor
dem dritten Advent geht es turbulent zu. Viel zu planen für den Hans-Jürgen Berg. Wenn er nicht gerade in seiner Position als Vorsitzender
des Tambourcorps an der Arbeit ist, beschäftigt den 54-Jährigen besonders eins: die Gartenarbeit. Und die kann sich sehen lassen, denn er und seine Ehefrau Anne hegen und pflegen ihren großen Garten mit viel
Liebe und Kreativität.

"Der Pfingststurm Ela vor zwei Jahren hat vieles zerstört, da mussten wir fast von vorn anfangen", berichtet Berg bei einem kleinen Gartenrundgang.
Eine Ecke zeugt noch besonders davon: Ein kleines hölzernes Schild erinnert an den Sturm und aus abgebrochenen Bäumen und Ästen
haben die Bergs das Beste gemacht — ein wenig gestutzt, ein paar Accessoires und grimmige Gesichter an den Baumstümpfen haben
die Sturmschäden in eine völlig einzigartige Erinnerungsstätte
verwandelt. Da scheinen sich die richtigen gefunden zu haben. Seit
31 Jahren sind Hans-Jürgen und Anne Berg inzwischen verheiratet, haben sich auf einer Fahrt nach Oberaudorf so richtig kennen und lieben gelernt. Er war damals Messdiener, sie war in der Bücherei tätig. Und ihre Liebe zum Tambour-Corps "Rheinklänge" Neukirchen verbindet die beiden auch heute noch...

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