„Das war eine Maßnahme, die sein musste“ Aufnahmestopp bei der „Tafel“ wird aufgehoben

Jüchen · „Der Aufnahmestopp wird jetzt bald wieder aufgehoben“, sagt Wolfgang Norf, Geschäftsführer des Vereins „Existenzhilfe“, der Träger der Grevenbroicher und Jüchener „Tafel“ ist. Gut ein Jahr lang konnten keine neuen Kunden aufgenommen werden. Im Gespräch mit dem Top-Kurier verrät der Geschäftsführer, was den Verein zu dieser bisher einmaligen Maßnahme zwang und wie die aktuelle Situation aussieht.

 Die „Tafel“ ist nicht nur Lebensmittellieferant. Sowohl in Jüchen als auch in Grevenbroich gibt es Kleiderkammern, die gut besucht werden, erklärt Wolfgang Norf.

Die „Tafel“ ist nicht nur Lebensmittellieferant. Sowohl in Jüchen als auch in Grevenbroich gibt es Kleiderkammern, die gut besucht werden, erklärt Wolfgang Norf.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Daniela Furth

An der Rektor-Thoma-Straße findet immer dienstags und freitags von 14 bis 15.30 Uhr die Ausgabe statt. 80 bis 100 Kunden kommen regelmäßig an den einzelnen Ausgabetagen dorthin, so Norf, am Hauptstandort in Grevenbroich seien es um die 300. Neue Kunden dann abweisen zu müssen, sei „ein ganz beschissenes Gefühl“, bringt er auf den Punkt: „Aber das war eine Maßnahme, die sein musste.“ Mehrere Faktoren seien letztlich ausschlaggebend für diese Entscheidung gewesen.

Da sei zum einen die Ukraine-Krise, durch die viele Neubürger in die Städte kamen, die Unterstützung benötigten. „Das ist ein enormer Andrang, der da derzeit herrscht und der dazu führt, dass die Kundenzahlen extrem hochschnellen“, berichtet der Geschäftsführer der „Existenzhilfe“.

Ein weiterer Punkt seien die Auswirkungen von Inflation, Energiekrise und Co., die sich auf die Preise von Lebensmitteln niederschlagen. Die Einkaufsmentalität habe sich durch die enorme Preissteigerung geändert, sodass Einzelhändler und Discounter weniger beziehungsweise gezielter Ware einkauften, um auf die gesunkene Nachfrage bei den Kunden zu reagieren. So blieben am Ende des Tages weniger Lebensmittel übrig – gut für die Händler, schlecht für die „Tafeln“. Bis zu 30 Prozent Einbußen habe es gegeben. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten bedingten auch, dass mehr Menschen nicht mehr über die Runden kamen. So seien beispielsweise einige ehemalige Kunden in den vergangenen Monaten ebenfalls wieder auf die „Tafel“ zugekommen, erzählt Norf.

Nun habe sich die Preissituation etwas entspannt, was sich bei den Mengen der Lebensmittelspenden bemerkbar mache. Eine große Hilfe seien aber definitiv auch die Aktivitäten im Landesverband „Tafel Nordrhein-Westfalen“: „Unser Landesverband, der seinen Sitz in Neuss hat, kümmert sich vermehrt um Großspenden. Die Verantwortlichen akquirieren Spenden bei Großherstellern, die dann zu Verteil-Tafeln, bei uns ist das Dormagen, geliefert werden.“ Dort kämen dann zum Beispiel schon mal 30 Paletten mit Joghurt an, die auf die Mitgliedstafeln verteilt würden. „Das ist immer das Erste, was ich morgens mache: Nachsehen, was dort angeboten wird, schnell zuschlagen und ein Auto zum Abholen hinschicken.“ Für mehrere Ausgabetage würden die Lebensmittel dann reichen.

Übrigens: Sollten am Ende der Ausgabetage doch einmal Lebensmittel übrig bleiben, die beim nächsten Termin aufgrund der Haltbarkeit nicht mehr verteil werden können, steht die „Existenzhilfe“ in Kontakt mit Lebensmittelrettern. Um die 20 seien es mittlerweile, die so dafür sorgen, dass weniger Lebensmittel weggeschmissen werden.

So hart es in den vergangenen Monaten war, neue Anfragen ablehnen zu müssen, ist Norf froh, dass zumindest die Ausgabe für die Bestandskunden auch in Krisenzeiten bestehen konnte: „Unsere Sponsoren stehen zu uns und haben uns auch nie hängen lassen. Und umgekehrt wir sie auch nicht. Wenn sie anrufen, fahren wir sofort hin und holen die Spenden ab.“ Mit vier Autos sind die Mitarbeiter der „Tafel“ jeden Tag unterwegs, um Lebensmittel abzuholen. Sie sind in Grevenbroich und in Jüchen gut vernetzt und freuen sich unter anderem auch über Unterstützung von Bürgermeister Harald Zillikens. Am Hauptstandort in Grevenbroich werden die Lebensmittel dann sortiert und auf die Ausgabestellen verteilt, wo nun auch endlich wieder neue Kunden empfangen werden können.

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