Die neue Freiheit des Ruhestandes: Musik & Tanz statt Trauerbegleitung

Grevenbroich · Wenn Marion Berthold rückblickend etwas bedauert, dann die Tatsache, dass sie das letzte Leonhard-Cohen-Konzert verpasst hat. Eine dienstliche Verpflichtung stand aber dagegen. Ab Montag kann sie nun frei über ihren Terminkalender entscheiden ...

 Wachwechsel bei der „Jona Hospizbewegung“: Auf Marion Berthold (links) folgt Sabine Jäger-Hünecke.

Wachwechsel bei der „Jona Hospizbewegung“: Auf Marion Berthold (links) folgt Sabine Jäger-Hünecke.

Foto: KV./Gerhard P.Müller

Marion Berthold ist Gründungsmitglied und von Anfang an hauptamtliche Koordinatorin der „Jona-Hospizbewegung“, die in Grevenbroich, Jüchen und Rommerskirchen für Trauer- und Sterbebegleitung im Einsatz ist. Sie hat also 22 Jahre lang „sich alles entwickeln, weiter wachsen lassen“.

Doch jetzt nimmt sie Abschied: Zum 1. Mai wechselt sie in den wahrlich verdienten Ruhestand: „Jetzt muss ich nicht mehr in den Kalender sehen, sondern ich kann einfach ins Konzert, ins Theater oder nach ,Pina Pausch‘ fahren“, strahlt sie.

Doch vor dem Ruhestand ist es Marion Berthold wichtig, Danke zu sagen bei den „immer freundlichen Menschen“, die ihr in ihrer Arbeit begegnet sind: Die in den Städten Verantwortlichen, die immer bereit waren, „Jona“ zu unterstützen. Die zahllosen kleinen und großen Spender, die die finanzielle Grundlage geschaffen haben. Die vielen ehrenamtlichen Helfer, die nach langfristiger Ausbildung hervorragende Arbeit geleistet haben. Und nicht zuletzt auch die Trauernden und Sterbenden, „mit denen ich ein Stück Weg gehen durfte. Das war wirklich eine Ehre.“

Denn Marion Berthold hat nicht nur „koordiniert“, sondern selbst Trauer- und Sterbebegleitung geleistet – in den Fällen der „erschwerten Trauer-Verläufe“ (Suizide, Kinds-Tod, besondere Biografien).

„Trauer ist nicht pathologisch, sondern ein ganz normales Gefühl“, weiß sie. Deshalb ärgert sie sich auch, „dass Tod, Sterben und Trauer so wenig Raum in unserem Leben, in unserer Gesellschaft haben. Dass in der Politik vollmundig beschrieben wird, was alles getan wird, aber dass die Rahmenbedingungen noch nicht gegeben sind.“ So fehle es zum Beispiel an palliativ spezialisierter Pflege für Zuhause und auch an Ärzten für diesen Bereich der Medizin.

Genau aus diesem Aufgabenbereich kommt Bertholds Nachfolgerin: Sabine Jäger-Hünecke (55) machte im Grevenbroicher Krankenhaus ihre Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete 17 Jahre lang dort, bevor sie sich dann in Mönchengladbach in der ambulanten Pflege um die Sterbebegleitung (Angst, Schweiß und Luftnot) kümmerte. Jetzt wolle sie „weg vom Bett, mehr in die Begleitung“, betonte sie im Gespräch mit der Redaktion.

Ihr großes Ziel: „Mehr Zeit für die Bedürfnisse der Sterbenden und ihre Angehörigen“. Genau dieser Kontakt „berühre, belaste aber nicht“, betont Berthold: „Hospiz-Arbeit mit einem, der nicht berührt ist, macht keinen Sinn.“

Genau da habe sie mit den „Jona“-Ehrenamtlichen immer viel Glück gehabt, die stets nach der Devise gehandelt hätten: „Sich als Mensch berührbar, es aber nicht zu neuem Leid zu machen“.

„Es hat noch keiner Fersengeld gegeben“, schiebt sie stolz nach. Allerdings gehen jetzt trotzdem sieben Ehrenamtler mit ihr in den Ruhestand. Allesamt Trauerbegleiter, die genau wie ihre jetzt ehemalige Koordinatorin von Anfang dabei waren. Die also 22 Jahre sich dem Dienst am Nächsten gewidmet haben. Herzlichen Dank!

(Gerhard P. Müller)
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