Die Gaststätten können wieder öffnen. Aber Wirte müssen Besucher-Listen vier Wochen lang archivieren

Grevenbroich · Die Gastronomie hat die Krise wegen des Corona-Virus stark zu spüren bekommen. Der Betrieb war weitestgehend untersagt, nur Lieferservice und Take-away sind unter Auflagen erlaubt gewesen. Seit Montag dürfen Restaurants in Nordrhein-Westfalen wieder öffnen.

 Lange waren die Restaurants geschlossen. Jetzt dürfen sie unter Einschränkungen wieder öffnen.

Lange waren die Restaurants geschlossen. Jetzt dürfen sie unter Einschränkungen wieder öffnen.

Foto: NGG

Doch zum Neustart gelten Besonderheiten: An einem Tisch können Personen aus höchstens zwei Haushalten sitzen. Tische müssen anderthalb Meter auseinander stehen. Platzanweisungen und namentliche Registrierungen durch die Wirte ermöglichen die Nachverfolgung.

„Kundenkontaktdaten sowie Zeiträume des Aufenthaltes in der Innen- und Außengastronomie sind für jede Tischgruppe mittels einfacher, auf den Tischen ausliegender Listen (einschließlich Einverständniserklärung zur Datenerhebung) zur Ermöglichung einer Kontaktpersonennachverfolgung zu erheben und durch den Inhaber unter Wahrung der Vertraulichkeit gesichert für vier Wochen aufzubewahren.“ So der Wortlaut der offiziellen Vorschrift.

Wie weit darf Seuchen- und Lebensschutz die anderen Grundrechte beschneiden? Eine derzeit heiß diskutierte Frage voller Spannung(en).

„Die Anonymität in Cafés in Zeiten wie diesen etwas aufzugeben, erscheint mir zur Unterbrechung möglicher Infektionsketten in einem ersten Schritt angemessen. Allerdings müssen die Wirte wirksam dazu verpflichtet werden, die gespeicherten Daten automatisch nach Zeitablauf zu vernichten und dürfen diese weder für sich verwenden noch an Dritte verkaufen“, betont Carl Windler, Chef der Grevenbroicher UWG-Fraktion. Markus Schumacher, sein Kollege von der FDP, betont: „Um gesellschaftliches Leben in Cafés und Restaurants jetzt schon wieder zu ermöglichen, finde ich gut, dass unsere Landesregierung den Weg zurück in eine verantwortungsvolle Normalität geht. Mögliche Infektionsketten müssen dabei aber identifiziert und unterbrochen werden können. Wissend, das unser gewohntes Leben erst dann wieder vollständig möglich sein wird, wenn unsere Gesellschaft durch einen Impfstoff geschützt wird, ist diese Dokumentationspflicht aktuell leider notwendig.“

Keine Probleme mit diesen Einschränkungen hat auch Walter Rogel-Obermann von den „Linken“: „Ich war die Tage das erste Mal seit Wochen beim Friseur. Ich musste mich mit Namen und Telefonnummer in einer Liste eintragen. Ein Problem hatte ich damit nicht. Nur dann, wenn bei einem der Kunden dieser Virus festgestellt wird, werden diese Liste vom Gesundheitsamt eingesehen und ich benachrichtigt. So soll der Ablauf sein und ich hoffe natürlich, dass sich alle daran halten.“

SPD-Chef Daniel Rinkert, von Hause aus Jurist, hat natürlich einen besonderen Blick auf diese Frage: „Die getroffenen Einschränkungen und Maßnahmen sind ein schmaler Grad zwischen einer freiheitlich demokratischen Grundordnung und dem Schutz des Einzelnen. Zumal die Situation eine neue unbekannte Dimension darstellt, da weder das Virus noch

der Umgang damit bekannt ist. Deswegen ist das für einen Juristen auch eine ganz besondere Situation. Aus historischen Gründen habe ich natürlich immer auch ein ungutes Gefühl, wenn es um die Einschränkung von Grundrechten geht. In der aktuellen Situation muss man allerdings zur Kenntnis nehmen, dass es darum geht, Leben zu retten. Und Leben ist eben eines der wichtigsten Grundrechte.“

Peter Gehrmann von den „Grünen“ wiederum ist promovierter Virologe: „Ohne Medikamente oder Impfstoffe ist die Unterbrechung von Infektionsketten derzeit das einzig wirksame Instrument, eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu vermeiden.

Hierzu gehört auch die Erfassung von möglichen Kontakten. Wir werden also noch längere Zeit mit Beschränkungen leben müssen. Wichtig für mich ist, dass jetzt der Missbrauch von Daten verhindert wird und entsprechende Maßnahmen in kurzen Abständen auf Verhältnismäßigkeit überprüft werden.“

Gerhard Müller

Carl Windler (UWG);

"Die Anonymität in Cafés in Zeiten wie diesen etwas aufzugeben, erscheint mir zur Unterbrechung möglicher Infektionsketten in einem ersten Schritt angemessen. Allerdings müssen die Wirte wirksam dazu verpflichtet werden, die gespeicherten Daten automatisch nach Zeitablauf zu vernichten und dürfen diese weder für sich verwenden noch an Dritte verkaufen. Das Speichern von Name, Uhrzeit und Telefonnummer muss hierbei ausreichend sein, bei Adressen tue ich mich persönlich bereits schwer. Allerdings steht es nach wie vor jedem frei, Gastronomiebetriebe zu besuchen. Wer keine Daten abgeben möchte, muss wohl zunächst zu Hause bleiben."

Peter Gehrmann (Grüne):

„Das Recht auf Leben und Gesundheit ist schützenswert. Nur wenn wir leben, können wir unsere die im Grundgesetz garantieren Freiheiten genießen. Die von allen demokratischen Kräften im Bund und Land unterstützen Maßnahmen haben bewirkt, dass der Corona Express in Deutschland quasi einen halben Meter vor der Wand zum Stehen gekommen ist. Mit dem Erfolg, d.h. mit der ausgebliebenen Katastrophe, schwindet zunehmend die Einsicht, dass weiterhin Vernunft und Vorsicht an erster Stelle stehen sollte (Vorsorge-Paradoxon). Wir wandeln zurzeit auf einem engen Grat und keiner kann vorhersagen, wie sich die Lage in den nächsten Monaten weiterentwickeln wird.

Ohne Medikamente oder Impfstoffe ist die Unterbrechung von Infektionsketten zurzeit das einzig wirksame Instrument, eine Überlastung unseres Gesundheitssystems mittel- bzw. langfristig zu vermeiden. Hierzu gehört auch die Erfassung von möglichen Kontakten. Wir werden also noch längere Zeit mit Beschränkungen leben müssen. Wichtig für mich ist, dass jetzt der Missbrauch von Daten verhindert wird und entsprechende Maßnahmen in kurzen Abständen auf Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Die Kontrollfunktion der Parlamente muss gestärkt werden.

Auch sollten wir uns vor Augen führen, dass primär Seniorinnen und Senioren über 70 von COVID19 bedroht werden. Bis 90 Prozent der COVID19 Opfer gehören dieser Altersgruppe an. Hier ist ein solidarisches Zusammenstehen der Gesellschaft gefragt. In diesem Zusammenhang auf eine möglicherweise geringere Lebenserwartung zu verweisen ist zynisch und unmenschlich. Jedes Leben hat den gleichen Wert.“

Markuds Schumacher (FDP):

"Die weltweit grassierende COVID-19 Pandemie verlangt uns allen aktuell viel ab. Jeder einzelne von uns spürt, dass etwas nicht stimmt und wir werden uns bewusst, das persönliche Freiheit und menschliche Begegnungen enorm wichtig für unser selbstbestimmtes Leben sind. Der Staat ist deshalb gefordert, unter Abwägung aller berechtigten Interessen effektive Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Denn ohne Gesundheit ist alles andere wenig wert. Dieser so einfache und richtige Satz ist die Grundlage für den aktuellen Ausnahmezustand.

Die Bundesregierung hat schon lange eine sogenannte Corona-App angekündigt, die aktuell immer noch auf sich warten lässt. Es zeigt sich, dass Deutschland insgesamt der Digitalisierung in der Vergangenheit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Diese lange Entwicklungszeit ist Ergebnis unseres digitalen Defizits. Es bleibt deshalb abzuwarten, bis uns diese App unser Leben erleichtern wird. Es ist möglich. Als Liberale achten wir dabei streng darauf, dass die technischen Möglichkeiten genutzt werden, ohne das die staatliche Überwachung gewinnt.

Um gesellschaftliches Leben in Cafés und Restaurants jetzt schon wieder zu ermöglichen, finde ich gut, dass unsere Landesregierung den Weg zurück in eine verantwortungsvolle Normalität geht. Mögliche Infektionsketten müssen dabei aber identifiziert und unterbrochen werden können. Wissend, das unser gewohntes Leben erst dann wieder vollständig möglich sein wird, wenn unsere Gesellschaft durch ein Impfstoff geschützt wird, ist diese Dokumentationspflicht aktuell leider notwendig. Sehr froh bin, dass die Corona-Schutzverordnung kontinuierlich in kurzen Intervallen auf ihre Notwendigkeit hin überprüft und angepasst wird sowie jeweils kurzfristig automatisch außer Kraft tritt. So ist gewährleistet, dass dieser kurzfristiger Ausnahmezustand nichts mit unserer gesellschaftlichen Normalität zu tun hat. Schnellstmöglich müssen die Menschen von dieser Einschränkung der Freiheitsrechte und die Gastronomen von dieser bürokratischen Last wieder befreit werden."

Daniel Rinkert (SPD):

„Kontaktverbote, Ausgangssperren, Quarantäne – noch vor wenigen Wochen wäre vieles von dem, was heute unseren Alltag bestimmt oder bestimmt hat, undenkbar gewesen. Innerhalb von nur wenigen Tagen wurde ein Großteil unserer Grundrechte eingeschränkt. Innerhalb von nur wenigen Tagen wurden Schulen, Kitas und Geschäfte geschlossen. Der massive Einbruch der Wirtschaft, die Angst vor dem Verlust des Jobs sind auch Folgen der Eingriffe in unsere Grundrechte.

Gerechtfertigt? Ja! Die getroffenen Einschränkungen und Maßnahmen sind ein schmaler Grad zwischen einer freiheitlich demokratischen Grundordnung und dem Schutz des Einzelnen. Zumal die Situation eine neue unbekannte Dimension darstellt, da weder das Virus noch der Umgang damit bekannt ist. Es ist die größte Herausforderung nach dem 2. Weltkrieg.

#Deswegen ist das für einen Juristen auch eine ganz besondere Situation. Aus historischen Gründen habe ich natürlich immer auch ein ungutes Gefühl, wenn es um die Einschränkung von Grundrechten geht. In der aktuellen Situation muss man allerdings zur Kenntnis nehmen, dass es darum geht, Leben zu retten. Und Leben ist eben eines der wichtigsten Grundrechte. Der Staat hat die Aufgabe die Unversehrtheit des Lebens zu schützen.

Deswegen bin ich der Überzeugung, das die Bundesregierung ausgewogene Einschränkungen der Grundrechte beschlossen hat. Sie wurden bisher auch grundsätzlich von den Gerichten bestätigt. Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. Bisher trägt ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger die massiven Einschränkungen von Grundrechten zur Eindämmung des Corona-Virus mit. Sie dürfen aber nicht zum Dauerzustand werden. Die Einschränkungen müssen verhältnismäßig sein.“

Walter Rogel-Obermanns (“Die Linke“):

„Ich war die Tage, das erste Mal seit Wochen beim Friseur, ich musste mich mit Namen und Telefonnummer in einer Liste eintragen. Ein Problem hatte ich damit nicht, denn diese Daten werden nicht zentral gespeichert, so wie es der Gesundheitsminister Spahn, mit seiner „Corona-App“ mal vorgeschlagen hatte. Geplant hatte der Minister auch mal, in dem Personalausweis eintragen zu lassen wer Covid-19 bereits hatte und eventuell immun dagegen ist.

Was kommt dann als Nächstes? Nur dann wenn bei einen der Kunden diese Pandemie festgestellt wird, wird diese Liste vom Gesundheitsamt eingesehen und ich benachrichtigt. So soll der Ablauf sein und ich hoffe, dass sich alle daran halten. Mehr Bedenken habe ich bei einigen Gesetzen und Verordnungen, die teils stark Rechte außer Kraft setzen.

Besser wäre es gewesen diese Einschränkungen zeitlich, oder abhängig vom Verlauf der Pandemie zu machen. Beim Arbeitszeitgesetz z. B. hätte man eine Überprüfung nach einem halben Jahr festlegen können, bei dem „Reförmchen“ zum Kurzarbeitergeld war das möglich.

Einige Eingriffe in das Recht auf freie Meinungsäußerungen und das Demonstrationsrecht wurden durch Entscheidungen von Gerichten gelockert und das ist gut so! Wir haben bald Kommunalwahlen, von einem „Wahlkampf“ sind wir weit entfernt. Für mich, präsent zeigen und auf die Menschen zugehen gehören dazu. Eine Verschiebung der Kommunalwahlen, wäre in meinen Augen richtig gewesen!“

(CDU und „Mein GV“ waren ebenfalls angefragt, wollten sich aber nicht äußern.)

(Gerhard Müller)
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