„Seit zwei Tagen habe ich mein Camp im National Forrest in Montana, acht Meilen von dem Ort Troy entfernt - direkt am Kootenay River, nahe zur Idaho Grenze direkt am Fluss aufgeschlagen“, meldete sich Klaus Lüttgen in dieser Woche aus dem fernen Amerika. Die schöne Landschaft hat ihn veranlasst, zwei, drei Tage „Pause“ zu machen. Sich Zeit zu lassen. Und diese zu nutzen, um eine Art Zwischenbilanz zu ziehen.
Sein einmaliger Reisebericht unterteil sich dabei in mehrere Passagen:
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Eintrag in mein Logbuch vom 29. Juni:
Langdon - Rocklake, exakt 70 Kilometer – heiß und starker Gegenwind. Eintönige Feldlandschaft und sehr harte Pedal - Arbeit! Nach 70 Kilometern erreiche ich Rocklake und schlage mein Zelt unweit der kleinen Arbeiter-Town in der Nähe eines See in einer vor Einblicken geschützten grünen Nische auf…
Die folgenden Einträge ähneln sich, die Hitze und der unablässig starke Gegenwind lassen nicht nach und ich habe enorm viel Beinarbeit zu leisten um nach vorne zu kommen. Es sind die Begegnungen mit den Menschen, die mir immer wieder Antrieb geben und mich und mein schweres Gefährt trotz der Anstrengungen auf Kurs halten.
So die Begegnung mit Jamie Azure, dem obersten Boss der „Turtle Mountain Off Chippewa First Nation“ in Belcourt. Vom ersten Moment unserer Begegnung beginnt zwischen Jamie und mir eine ausgesprochen fruchtbare Unterhaltung um das Thema Trinkwasser.
Auch bei den anderen Stammesmitgliedern stößt mein buntes Ei auf großes Interesse und ich werde die folgenden Stunden darüber reichlich Auskunft geben. Ganz besonders berührt hat mich auch die Begegnung an diesem Tag mit Gitchi twa nibi, was soviel wie „Sacred Water“ – „heiliges Wasser“ heißt.
Gitchi erzählt von ihren Bemühungen, nicht müde werdend, den jungen Stammesmitgliedern vom behutsamen Umgang der Ressource Wasser und der Vermeidung von Plastik zu erzählen… Jamie führt mich durch die Geschäftsräume des Tribes und in seinem Office gibt Jamie mir den eigens für ihn als Stammesoberhaupt angefertigten Tomahawk in die Hand und ich bin sehr gerührt von dieser sehr persönlichen Geste der Sympathie.
So folge ich seiner Einladung und sein Adjudant Rayvin bringt mich samt meinem Tross ins hauseigene Spielcasino/Hotel in Belcourt, wo ich in einem Erste-Sahne-Zimmer untergebracht werde und obendrein noch zum Essen eingeladen bin.
Mein Telefon klingelt - Jamie ist am anderen Ende. Hey Klaus, ich hoffe dein Aufenthalt gefällt dir in unserem Hotel und ich hoffe du kommst zurück zu Besuch mit deiner Heidi…und zum Abschluss gab er mir die Empfehlung: Klaus, probiere mal das Tomahawk-Steak!
Und das tat ich denn auch und ich war hin und weg von diesem ausgezeichneten Steak - ein wahrer Tomahawk!
Mein Entschluss Tage später, den Amtrak-Zug von Minot nach East Glacier zu nehmen, war eine gute Entscheidung. Diese Option einen längeren Stretch durch die Prärielandschaft von North Dakota und Montana zu unternehmen, hatte ich bereits in die Überlegungen meiner Reise vor mehr als vier Jahren mit eingeplant. So habe ich nun die gute Gelegenheit, den bisherigen Verlauf meines Projektes „People Get Ready“ Revue passieren zu lassen.
Wichtig ist es mir hier an dieser Stelle zu verdeutlichen, dass diese Tour mit dem Fahrrad über den Kontinent Amerika mit einer Urlaubsreise nur wenig zu tun hat. Ich will den Menschen zeigen wie schön und vielfältig unser Planet ist, aber auch wie enorm wichtig es ist, unsere Ressourcen, an erster Stelle unser Trinkwasser, zu schützen. Und dass wir Menschen ausnahmslos alle damit beauftragt sind, an diesem Auftrag zum Schutze für uns und unsere nachfolgenden Generationen teilzunehmen…
Auszug - Logbuch Eintrag vom 7. Juli: Rising Sun Campground, Glacier Nationalpark Montana - Sprague Creek Campground, Lake Mc Donald
… nach langer Zeit endlich weitaus besser schlafen können im Zelt als bisher und ich wache erst um 5.30 Uhr auf. Auch die Stöpsel in den Ohren waren hilfreich. Ein herrlicher Morgen, blauer Himmel – der Wald duftet würzig nach Tanne und Pinie. Die Lichtreflexe der Sonnenstrahlen blinzeln verspielt durch das Buschwerk und in rötlich braunen Farben erhellt immer mehr die mächtige Felswand gleich neben meinem Camp.
Heute ist es soweit. Nach zwei Tassen starkem Kaffee und einem Frühstück, gemischt aus Cerealien und Bananen, mache ich mich mit meinem Tross auf den Weg entlang des St. Mary Lake über die berühmte „Going To The Sun Road“ in Richtung Logan Pass. Der Verlauf ist bis etwa Kilometer 9,5 flach bis leicht wellig und so bleibt mir noch etwas Zeit meine Beine auf die kommende Arbeit am Berg einzustimmen.
Auch die sich immer mehr auftuende Berglandschaft, die sich in dem wunderschönen Lake allzu verführerisch widerspiegelt, animiert mich immer wieder zu einem Stop an einem der vielen Top Points am See.
Dann geht’s los. Keine Minute später nach acht Uhr hätte ich losfahren dürfen, ist diese Straße der Superlative doch äußerst beliebt nicht nur bei den Menschen in den USA. So traf ich unter anderem Leute aus Frankreich, aus Tschechien, aus Polen und aus Lettland, die diese Berge besuchen und hier Urlaub machen.
Es ist heiß heute und umso schweiß treibender ist meine Arbeit den Berg hinauf. Immer wieder muss ich anhalten, schöpfe frisches Gletscher-Wasser aus einem der vielen Creeks, die ich nun passiere. Außer mir werde ich heute auf nur vier oder fünf andere Radfahrer treffen, von denen mir drei entgegenkommen. Allesamt sind es Rennradfahrer, die mit ihrem leichten Gepäck natürlich klar im Vorteil sind und mich mit einem Daumen hoch passieren.
Hin und wieder werde ich mit einem Hubkonzert vorbeifahrender Autos begrüßt – manche rufen aufmunternde Worte aus dem Fenster heraus. Auf den letzten etwa 1.000 Metern der insgesamt etwa 20 Kilometer den Logan Pass hinauf, versuche ich ein Video – dann erreiche ich endlich das Glacier Information Center – well done, meine Arbeit hat sich absolut gelohnt, denn ich stehe nun inmitten einer grandiosen Berglandschaft, die ihres gleichen sucht!
Übrigens war meine Abfahrt hinunter zum Donald Lake nicht minder interessant und wird irgendwann nach meiner Rückkehr in Deutschland auf meinem YouTube zu sehen sein.
Einen Tag später bin ich eingeladen bei Lindsey und ihrem Mann Jason, die zusammen mit ihrer fünfjährigen Tochter Raya in der Nähe von West Glacier,mitten im Wald leben. Lindsey ist Anwältin und Jason arbeitet für die „American Forestry“. Zusammen unternehmen wir eine wunderschöne Fahrt mit dem Boot über den North Fork River an der Grenze zum Glacier Nationalpark. Hierbei erzählt Jason von seiner Arbeit im Forst und auch von seinen Einsätzen bei Waldbränden, bei denen er oft wochenlang zusammen mit den Feuerwehrleuten im Busch campieren muss und pausenlos im Einsatz ist, die immer öfter vorkommenden Waldbrände zu löschen.
Nach ausgiebigen Gesprächen mit Lindsey und Jason bitte ich die Familie, mir die zehnte Botschaft mit auf meinen langen Weg nach Tuktujaktuk zu geben. Dankeschön für die guten Gespräche und die schöne, leider viel zu kurze Zeit miteinander. Wir hatten viel Spaß und ich habe mich ausgesprochen wohl gefühlt bei dieser liebenswürdigen Familie aus Montana!
12. Juli
Auszug aus dem Logbuch
…heute läuft es entgegen meiner Erwartungen ziemlich gut und dies trotz der Hitze – mein Tacho zeigt 42° Celsius im Schatten…
Nun sitze ich hier im Nationalpark Forrest nahe der Grenze zu Idaho und schreibe diese Zeilen. Ich lasse die Zeit Revue passieren und habe mich entschieden einen weiteren Tag hier an diesem wundervollen Platz am kristallklaren Kootenay River zu verbringen, bevor es weitergeht über mehrere Pässe über weitere hunderte Miles nach Kettle Falls und über den Chairman Pass zu den Northern Cascades im US Staat Washington. Dies jedoch bedarf es noch einige ungelegte Eier…
Mehr Bilder auch auf www.rocktheroads.com und dem Instagram-Account.
Und beachten Sie auch unsere Bilderstrecke unter Eine erste Zwischenbilanz der ungewöhnlichen Ei-Rad-Tour.