1. Grevenbroich

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke (CDU): „Will ich eine verantwortungsvolle Finanzpolitik oder neue Schulden?“

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke (CDU): „Will ich eine verantwortungsvolle Finanzpolitik oder neue Schulden?“

Er arbeitet seit über 30 Jahren bei der Kreisverwaltung und tritt am 13. September erneut für das Landratsamt an: Hans-Jürgen Petrauschke (CDU) besuchte gemeinsam mit Dieter Welsink, Chef der CDU-Kreistagsfraktion, die Redaktion des Erft-Kurier und sprach über Wahlkampf, Bildung und starke Kommunen.

Herr Petrauschke, in Ihrer Amtszeit als Landrat haben Sie in den vergangenen Jahren die Kreisumlage mehrfach gesenkt. Welche Auswirkungen hat das auf den Kreis, die Städte und Gemeinden?

Petrauschke:

Eigentlich haben der Kreis und die Kommunen zu wenig Geld, um alle Pflichtaufgaben zu erfüllen. Dies liegt an der unzureichenden Finanzausstattung durch das Land. Ich kann aber erfreulicherweise sagen, dass wir einen sehr sparsamen Haushalt führen. Dies bestätigt auch die Regierungspräsidentin. Das Thema Haushalt ist nicht nur eine Sache des Sparens, sondern auch des Überlebens der kommunalen Selbstverwaltung.

Erft-Kurier:

Als Landrat sind Sie automatisch Chef der Polizei in den Kommunen. Viele Bezirkspolizisten haben keine eigenen Fahrzeuge, woran liegt das?

Petrauschke:

Das war schon immer so. Die Bezirksbeamten sollen zu Fuß oder mit Zweirädern unterwegs sein. Wir müssen die Ressourcen natürlich danach verteilen, was das Land zur Verfügung stellt. Die Polizisten im Kreis leisten jetzt schon tolle Arbeit, das heißt aber nicht, dass ich schon mit der Ausstattung durch das Land zufrieden bin.

Erft-Kurier:

Und wie soll sich das ändern?

Petrauschke:

Die Sicherheit ist natürlich ein wesentliches Thema, mit zunehmendem Alter der Bürger wächst das Sicherheitsbedürfnis. Ich bin auch selbst schon Opfer eines Einbruchs geworden. Aber nehmen wir mal an, wir könnten vor jedes Haus einen Polizisten stellen, damit dort nichts passiert. Diese Überwachung würde Ihnen sicher auch nicht gefallen. Deshalb ist es wichtig, dass jeder aufmerksam auf sich selbst und auch auf seine Nachbarschaft achtet und die Polizei bei Verdächtigem sofort informiert.

Erft-Kurier:

Und wie sehen Sie die aktuelle Flüchtlingslage im Kreis?

Petrauschke:

Ich habe die Flüchtlingsunterkunft und die Helfer besucht. Da haben wir natürlich einige Hürden zu nehmen.

Erstens: Fremdenhass hat bei uns keinen Platz. Es gilt aber auch, so hart das auch klingen mag, die Wirtschaftsflüchtlinge innerhalb von drei bis vier Wochen wieder nach Hause zu schicken und nicht erst dann, wenn sie sich hier eingelebt haben.

Die Anerkennungsquote der syrischen Flüchtlinge zum Beispiel liegt dagegen bei etwa 90 Prozent. Wer länger bleiben darf, stößt auf die nächste große Hürde: eine Arbeitsberechtigung und ein Job müssen her. Jobs bekommt man aber nur, wenn man ein wenig deutsch spricht. Die Deutschkurse sind aber nur für diejenigen kostenlos, die bereits Deutschkenntnisse auf dem Level „A1“ vorweisen können. Es kann einfach nicht sein, dass die Flüchtlinge so vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Ich setze mich dafür ein, dass schnellstmöglich die Integration erfolgt und Deutschkurse angeboten werden.

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Erft-Kurier:

Wer sich schon einmal mit Ihnen unterhalten hat weiß, dass Sie immer für einen Scherz zu haben sind. Wie ist das in der Behörde? Sind Sie ein ernster Chef?

Petrauschke:

Natürlich bin ich, was den Inhalt der Arbeit angeht, ein ernsthafter Chef, das muss ich sein. Aber ich kann auch lachen. Wie furchtbar wäre es, wenn man nicht mal über sich lachen könnte?

Erft-Kurier:

Sie scheinen rund um die Uhr unterwegs zu sein. Wie lässt sich Ihr Job als Landrat mit dem Wahlkampf in Einklang bringen?

Petrauschke:

Neben meiner Arbeit, die weiter läuft, habe ich für den Wahlkampf im eigentlichen Sinne kaum Zeit. Ich bin auch bei den üblichen Terminen mit den Bürgern im Gespräch. Außerdem bin ich rund um die Uhr über mein Handy erreichbar. Für unterwegs habe ich noch ein altes Nokia 6310, da hält der Akku einfach länger (lacht).

Erftt-Kurier:

Sind Sie der Oberbürgermeister der Stadt Neuss?

Petrauschke:

Nein, das nicht. Die Aufgaben eines Oberbürgermeisters unterscheiden sich doch sehr von denen eines Landrates. Ich möchte aber in Zukunft noch enger mit den Bürgermeistern der Kreiskommunen zusammenarbeiten, um Aufgaben wirtschaftlicher zu erledigen.

Welsink:

Warum sollten wir etwas wechseln, was bei hervorragender Leitung so gut funktioniert? Ich kann mir keinen besseren Landrat vorstellen.

Erft-Kurier:

Wie schätzen Sie denn die bisherige Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden ein?

Petrauschke:

Es ist in den vergangenen Jahren besonders bei schwierigen Themen wie der Kreisumlage viel besser geworden. Was kreisfreie Städte allein stemmen müssen, können wir mit der Umlage gemeinsam angehen.

Natürlich haben wir allgemein zu wenig Geld, trotzdem haben die Kreisverwaltung und die Kommunen ein gutes Verhältnis zueinander.

Welsink:

Viele denken, der Kreis sei eine reine Verwaltungsbehörde. Das stimmt nicht, denn bei uns gibt es auch sehr viele soziale Themen. Ohne die Bündelung im Kreis gäbe es beispielsweise kein Sportgymnasium Knechtsteden oder Schloss Dyck. Es gibt im Kreis auch eine politische Ebene, nicht bloß reine Verwaltung.

Erft-Kurier:

Ein großes Aufregerthema ist der Standort für den geplanten Konverter. Wie sehen Sie die Lage?

Petrauschke:

Das ist schwierig. Am liebsten möchte ich gar keinen Konverter im Kreis. Wenn die Atomkraftwerke alle abgeschaltet werden, braucht man Hochgeschwindigkeitsübertragungsleitungen und Gleichstrom, damit nichts verloren geht. Das führt uns zum Konverter. Wenn dies unabweisbar ist, muss „Amprion“ einen Ort finden, an dem er am wenigsten stört. Das muss in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren erfolgen.

Erft-Kurier:

Wissen die Bürger überhaupt, was ein Landrat ist und was er tut? Wie bekommen Sie die Wähler am 13. September an die Urne?

Welsink:

Für einen Landrat ist Herr Petrauschke schon sehr bekannt – eigentlich ist er schon ein „Bürger-Landrat“.

Petrauschke:

Wenn jemand nicht weiß, was ein Landrat macht, dann doch hauptsächlich deshalb, weil er keinen Ärger mit dem Kreis hat – und das ist ein gutes Zeichen. Am 13. September geht es um mehr als nur um eine reine Personenwahl. Es ist auch eine Richtungswahl für unsere Heimat: Will ich eine Wirtschaftsförderungs- oder Wirtschaftsverhinderungspolitik? Will ich eine verantwortungsvolle Finanzpolitik oder neue Schulden? Will ich eine kluge Energiewende mit Augenmaß oder einen Strukturbruch mit Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen? Unsere verlässliche Politik hat unsere Heimat zu den stärksten Wirtschafts- und Wachstumsregionen in Deutschland gemacht.

Erft-Kurier:

Warum sollten die Wähler ihre Stimmen für Sie abgeben?

Petrauschke:

Ganz klar: Ich will weitermachen! Ich glaube, man merkt, dass ich gut in meinem Job bin und Spaß daran habe. Ich behaupte nicht, dass schon alles perfekt läuft, aber wir bewegen uns in die richtige Richtung. Der Kreis ist wirtschaftsfreundlich in allen Belangen. Zum Beispiel 13.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, also über 10 Prozent mehr als 2009, sind Belege für den Erfolg. Daran möchte ich weiter anknüpfen.

Erft-Kurier:

Sie haben unserer Zeitung einmal gesagt, sie wollen „Hartz IV“ abschaffen. Was sagen Sie heute dazu?

Petrauschke:

Das möchte ich immer noch überflüssig machen. „Hartz IV“ ist keine Alternative zu Arbeit, deshalb kämpfe ich für Jobs und setze mich besonders für eine gute Schul- und Ausbildung unserer jungen Bürger ein.

Stadt-Kurier:

Apropos Schulbildung: Durch die Eingliederung von Schülern mit besonderem Förderbedarf in Regelschulen wurden in jüngster Zeit viele Förderschulen zusammengelegt, Plätze gestrichen. Wie denken Sie darüber?

Petrauschke:

Ich möchte die Förderschulen erhalten. Inklusion bedeutet nicht, alle Kinder in einen Raum zu stecken und zu schauen, was passiert. Wenn man Kinder Tag für Tag gegen den Strom anschwimmen lässt und sie kommen einfach nicht an, ist das meiner Meinung nach schon fast unmenschlich. Mein Credo ist, dass wir auf jeden einzelnen achten müssten und nach Möglichkeit nicht alles gleich machen, denn jeder ist und lernt anders. Ich möchte nicht eine Schule für alle, sondern für jeden die richtige Schule.

Erft-Kurier:

Wenn Sie irgendwann ihr Amt niederlegen sollten, was sollen die Menschen dann über Sie sagen?

Petrauschke:

Ich würde mir wünschen, dass dann möglichst jeder einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz in seiner Nähe hat und sich auch weiterhin im Kreis wohlfühlt. Ich möchte nicht mit einem großen Projekt wie einem „Hans-Jürgen-Petrauschke-Stadion“ oder so etwas in Erinnerung bleiben. Mir geht es um die Menschen und ich hoffe, dass das Geld reicht und jeder das machen kann, was er auch tun möchte. Der Kreis ist in einer guten Verfassung, wenn wir die halten und sogar noch weiter verbessern können, bin ich mehr als zufrieden!

(Kurier-Verlag)