Das werde ein echtes Abenteuer. „... So lang! Boah! Mal schauen, was da passiert“, überlegt Thomas Winkler, der nach 26 Jahren seine evangelische Kirchengemeinde Wevelinghoven, zu der auch Kapellen und Neukirchen gehören, verlässt.
Schon seit Mai ist er im Ruhestand, hat aber den aktuellen Konfirmanden-Jahrgang bis zum feierlichen Abschluss-Gottesdienst begleitet. Die Betreuung der Konfirmanden war in all den Jahren für ihn immer eine besondere Leidenschaft und ein besonderes Anliegen.
Die Jugendlichen seien nun einmal „anstrengend, schlagfertig, gelangweilt und immer ziemlich ehrlich“, resümiert er. Und dank ihnen habe er immer gewusst, welche Handyspiele modern, welche Influencer angesagt und welche Modetrends gefragt gewesen seien.
Apropos modern: Beim diesjährigen Konfirmations-Gottesdienst gab es Neuerung: Alle Anwesenden (über 400 an der Zahl) konnten per Handy ihre eigenen Fürbitten formulieren und per Computerprogramm auf einen überdimensionalen Bildschirm schicken. Die Wünsche seien denkbar unterschiedlich gewesen, sogar für Schalke 04 habe die Gemeinde gebetet. Moderne Formen der Teilhabe waren dem scheidenden Pfarrer aber stets wichtig.
So ist ihm und seinen vielen ehrenamtlichen Mitstreitern auch ein kleines Wunder gelungen: Im Kapellener Gemeindeteil ist „Kirche“ gegen den Trend gewachsen. Dank des Neubaugebietes und dank des großen Engagements der Leute dort. Besonders beliebt: die „Kleine-Leute-Gottesdienste“.
In Neukirchen und Wevelinghoven zeichnet sich dagegen der allgemeine Trend ab. Vor allem nach Corona habe man den Eindruck, „dass noch einmal der Stecker gezogen wurde“.
Überhaupt Corona: Der Seelsorger, der sich natürlich auch in seinem Ruhestand weiter um die Menschen kümmern will, weiß von vielen „sozialen Verformungen“, die nach der Pandemie geblieben sind. Von Menschen, die noch heute so viel Angst haben, dass sie nur abends und mit Maske einkaufen gehen. Die auch an Geburtstagen keinen Menschen sehen wollen. Und gerade die Alten hätten dann noch nicht einmal das Internet, um Kontakt „nach außen“ zu bekommen.
Gleichfalls hart betroffen die Kinder. Von seiner wöchentlichen Stunde in der Neukirchener Grundschule weiß Winkler, wie sehr die Kleinen unter der zeitweisen Maskenpflicht litten, die dafür sorgte, dass man menschliche Regungen von Müdigkeit bis Wut nicht mehr im Gesicht ablesen konnte. „Was sollten die Kinder machen, die sich nicht so gut ausdrücken können?“, fragt er noch heute konsterniert.
Und bei den Älteren, auch bei denen im Konfirmandenalter, sei der Tagesablauf komplett durcheinander gewirbelt worden, nachdem die Schulen für mehrere Monate geschlossen werden mussten. Da sei bis zum Morgengrauen gezockt worden, seufzt Thomas Winkler.
Der damalige Konfirmanden-Jahrgang habe heuer Abitur gemacht ... und die Spuren der Corona-Einschränkungen seien bei ihnen immer noch zu spüren.
Von Herbst und Frühjahr sei er bereit, auch in Zukunft für seine Gemeinde bereitzustehen. Er und seine Gattin sind in ein kleines Häuschen in Korschenbroich gezogen. Die drei Söhne seien schon vor 15 Jahren „flügge“ geworden.
Ob und wie es zu einem weiteren Engagement in Neukirchen, Kapellen und Wevelinghoven kommen wird, hänge aber nicht von ihm ab. Der neue Pfarrer – und dass ein (!) neuer Pfarrer kommt, ist sicher – habe dann das Sagen. Und Thomas Winkler wird sich auf keinen Fall aufdrängen, macht er mit Nachdruck deutlich.
Die Verantwortlichen in der Gemeinde seien derzeit dabei, sich zu finden, Forderungen und Konzepte für die Zukunft zu formulieren.
Morgen aber soll zunächst einmal Abschied gefeiert werden. Um 11 Uhr startet das Gemeindefest im Gemeindezentrum an der Landsberger Straße. Und die Gemeinde habe sich „viele feine Sachen“ einfallen lassen, strahlt Thomas Winkler, der sich selbst stets als „24/7-Pfarrer“ gesehen hat.