Einblicke in Hermann Gröhes Reden vor dem Bundestag „… aus Liebe zum Leben!“

Grevenbroich · Mit diesen emotional bewegenden Worten beendete der Neusser Hermann Gröhe seine letzte Rede im Deutschen Bundestag am 5. Dezember 2024 – das Ende einer langen und erfolgreichen politischen Karriere.

Hermann Gröhe im Wandel der Zeiten: 1994 hielt er seine erste Rede im Bundestag,

Foto: Bundestag/Juliane Sonntag/Achim Melde

Eine Sammlung seiner 38 im Bundestag und zwei im Bundesrat vorgetragenen Wortbeiträge hat der Vollblut-Politiker jetzt an das Neusser Stadtarchiv und das Archiv im Rhein-Kreis überreicht. Bei einem Treffen im Lesesaal an der Oberstraße erzählt der 64-Jährige von seiner emotional ergreifendsten Rede, von Zwischenrufen und – meist – „kämpferischem, aber fairem Austausch von Argumenten“.

Gröhe erinnert sich noch gut an seine erste Rede als Abgeordneter im Bundestag. 1994 – das Parlament hatte damals seinen Sitz noch in Bonn – ging es um einen Antrag zur „Verhinderung von Spielzeugimporten aus chinesischen Straflagern“. Es folgten zahlreiche weitere Reden, die jetzt in einem Buch zusammengefasst wurden. „Diese Sammlung spiegelt meine unterschiedlichen Aufgaben in der Bundespolitik wider“, macht er deutlich. Dies gelte in besonderer Weise für seine Arbeit als Gesundheitsminister, aber auch für die Bereiche der Sozial- und Entwicklungspolitik, „für die ich in den vergangenen acht Jahren als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Verantwortung getragen habe“.

2024 trat er hier zum letzten Mal ans Mikrofon. Fotos: Deutscher Bundestag / Presse-Service Steponaitis sowie Deutscher Bundestag / Juliane Sonntag /photothek

Foto: Bundestag/Juliane Sonntag/Achim Melde

Auf die Frage nach für ihn besonders wichtigen Reden muss Gröhe nicht lange nachdenken: „Das waren meine politischen Reden zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung sowie der Hospizarbeit, die ich als Gesundheitsminister auch im Bundesrat gehalten hatte.“ Immer wieder habe er grundsätzliche ethische Fragen, Fragen der Menschenrechte, der Menschenwürde und ihrer Schutzwürdigkeit „gerade am Anfang und Ende des Lebens“ thematisiert. Besonders emotional ging es 2015 bei der Beschlussfassung zum Verbot organisierter Selbsttötung zur Sache. „Mein Hauptgegenspieler war damals mein enger Freund Peter Hintze.“ Gröhe setzte sich gegen seinen Parteifreund durch.

„Aber ein einziges Mal hatte ich im Bundestag Mühe, meine Stimme zu halten“, erzählt Gröhe. Es ging um den Entwurf zum Hospizgesetz – und seine Mutter wurde zeitgleich „völlig überraschend“ auf eine Palliativstation in Neuss verlegt.

Gröhe brachte als Gesundheitsminister auch die in seinem Wahlkreis gesammelten Erfahrungen ein. Er besuchte oft das Augustinus-Hospiz und engagierte sich sieben Jahre lang im Vorstand des Diakonischen Werks Neuss. In diesem Zusammenhang erwähnt er seine Rede als Gesundheitsminister zur Pflege demenziell Erkrankter: „Ihre Betreuung war und ist mir eine echte Herzensangelegenheit!“

Ein feierlicher Momemt: Hermann Gröhes Vereidigung durch den ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert.

Foto: Bundestag/Juliane Sonntag/Achim Melde

Überhaupt zieht sich das Engagement für die Benachteiligten und Schwächeren in unserer Gesellschaft wie ein „roter Faden“ durch Gröhes politisches Wirken. So arbeitete er unter anderem in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit. „Damals besuchte ich Slums in den ärmsten Ländern, hatte oft das Bild der hungernden Kinder vor Augen.“

Diese Reiseerfahrungen ließ er auch in seine Reden einfließen. „Und es war unerträglich, wenn dann von rechts verächtliche Kommentare kamen. Es ist nicht mein Verdienst, dass ich in Neuss und nicht in Sambia geboren wurde.“ Überhaupt sei auch manchmal zu unsachlichen Einwürfen gekommen, zum Beispiel von der AfD: „Sie gehören auch in den Knast!“ wurde Gröhe im Plenarsaal attackiert.

Aber es gab auch Reden, „die hatten etwas Kämpferisches, Sportives“, schmunzelt der Neusser. Er rieb sich beispielsweise gerne mit dem Sozialdemokraten Hubertus Heil. „Nach meiner ersten Rede, in der ich ihn angegriffen hatte, beglückwünschte er mich sogar!“ Oder der damalige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lachend nach einem verbalen Austausch in einer „Aktuellen Stunde“ im Plenum: „Mensch Hermann, ich glaube, unsere Fans waren heute zufrieden mit uns beiden!“

Eine gebundene Sammlung seiner im Bundestag und -rat gehaltenen Reden hat er dem Neusser Stadtarchiv vermacht. Foto: Rolf Retzlaff

Foto: Bundestag/Juliane Sonntag/Achim Melde

Und wem haben es Gröhe und seine Bundestagskollegen zu verdanken, dass alle dort gehaltenen Reden für die Ewigkeit festgehalten werden? Andrea Petrauschke, Volljuristin und Ehefrau von Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, hört als Stenografin ganz genau zu. Aber warum werden die Reden nicht einfach mit dem Tonband aufgezeichnet? „Dann weiß man nicht, wer geklatscht oder Zwischenrufe von sich gegeben hat; alle Reaktionen werden ebenfalls stenografiert“, macht Gröhe deutlich, dass Andrea Petrauschke ein regelrechtes Stimmungsbild aus dem Plenum aufzeichnet. „Und ich kann den Landrat eifersüchtig machen: Immerhin hört seine Frau auf jedes meiner Worte“, lacht Gröhe.

Doch dann kam sie – seine letzte Rede vor dem Bundestag am 5. Dezember 2024. Gröhe: „Es ging darum, wie die Bereitschaft zur Organspende erhöht werden könne, ohne das Selbstbestimmungsrecht einzuschränken.“ Weitgehend frei habe er die Rede gehalten: Die Organspende müsse bleiben, was sie ist: Ein Geschenk aus Liebe zum Leben. „So wurden ,aus Lieben zum Leben‘ meine letzten Worte im Deutschen Bundestag. Sie stehen insgesamt für das, was mich als Christen in der Politik angetrieben hat.“