Bürger in der Warteschleife: Beamte haben Corona-Angst

Grevenbroich · Das Bürgerbüro soll bekanntermaßen demnächst in die „Coens“ umziehen, damit es „heller und freundlicher“ werden kann: „Flying Jungle“, Kaffee-Bar und frische Farben sollen dafür sorgen, dass sich die Bürger wohl und gut betreut fühlen.

 Grevenbroichs Stadtsprecher Lukas Maaßen.

Grevenbroichs Stadtsprecher Lukas Maaßen.

Foto: Sven Vüllers

Der erste und wichtigste Schritt in diese Richtung wäre ein anderer. Und vor allem ganz einfach: Es wird höchste Zeit, dass im Bürger-Büro der Betrieb unter Corona-Bedingungen endet. Denn der führt täglich zu Frust, Ärger und Unverständnis.

Eine typische Momentaufnahme: Das alte Mütterchen, das vor wenigen Tagen ihren Mann verloren hat und das dringend irgendwelche Papiere braucht, wird von der Security herzlos zwecks Terminvereinbarung an die Hotline verwiesen. Verzweiflung und Überforderung stehen in den rot geweinten Augen der frischen Witwe deutlich geschrieben.

Einen Termin hat die Dame aus Kapellen, die mit dem Bus in die Stadtmitte gekommen ist. Doch leider ist der im Internet gebuchte Termin nicht im Bürgerbüro angekommen. Der „Zerberus“ vor der Tür verweist wiederum auf die Hotline und aufs Internet. Da seien die nächsten freien Termine erst Ende Juni zu bekommen, ist zu hören.

Die Kapellenerin weigert sich, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, verweist auf ihre Terminabsprache. Nach mehreren Minuten Diskussion wird sie gnadenhalber eingelassen. Ganze zwei Minuten braucht sie dann zur Abwicklung ihres Anliegens.

Ein junger Mann mit Migrationshintergrund berichtet, dass er seit Januar auf seinen Personalausweis wartet und sich von Termin zu Termin hangelt: „Wenn ich nicht noch einen Reisepass hätte, wäre ich ein paar Mal wirklich aufgeschmissen gewesen“, sagt er.

Eine Ärztin will Unterlagen für die Beantragung eines Anwohnerparkausweises abgeben. Ohne Termin nicht möglich, kommentiert die Wachhabende. Bei der angegebenen Telefonnummer sei ja immer besetzt, kontert die Bürgerin. „Dann müssen Sie halt zu anderen Zeiten anrufen“, lautet die barsche Antwort.

Alternativ wird aufs Internet verwiesen. Mit sechs Wochen Wartezeit. Sie habe alle Unterlagen zusammen und wolle die nur kurz vorlegen: den Antrag, den alten Parkausweis und den Kfz-Schein.

Nein, das ginge nicht. Aber sie könne das alles ja in den Briefkasten stecken. Sehr gut verständlich, dass besagte Ärztin von der Idee, ihren Kfz-Schein einfach in den Briefkasten zu schieben, absolut nicht begeistert war.

Noch einmal die Türsteherin: Es würde sich eh nicht lohnen, weiter zu warten, weil jetzt gleich die Bürozeit ende...

Ohne Zweifel nur eine Momentaufnahme, aber eine ganz typische. Stadtsprecher Lukas Maaßen seufzte dementsprechend genervt bei der Anfrage, wie lange fürs Bürgerbüro noch der Corona-Ausnahmezustand gelten solle: „Um Ausfallzeiten durch Corona-Erkrankungen so gering wie möglich zu halten und damit den Bürgerservice zu gewährleisten, werden die Corona-Sicherheitsmaßnahmen vorerst beibehalten“, lautete schließlich sein spröder Kommentar.

Bleibt zu hoffen, dass ein bisschen mehr Flexibilität angesichts des nicht wirklich funktionierenden Anmeldesystems praktiziert wird.

(Gerhard P. Müller)
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