Im Rathaus: Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen „Am Ende des Tages muss ich meine Mitarbeiter schützen“

Grevenbroich · Das alte Mütterchen steht mit seinem Rollator vor dem Bürgerbüro. Der Security-Mann will sie nicht hineinlassen, weil sie keinen Termin hat und verweist die Dame aufs Internet. „Sehe ich so aus, als ob ich Internet hätte?“, kommentiert sie prompt. So geschehen vor wenigen Tagen. Dass die Eingänge des Rathauses „bewacht“ werden, hat inzwischen nichts mehr mit Corona zu tun...

Bürgermeister Klaus Krützen berichtet von immer schlimmeren „Tabu-Brüchen“ gegen seine Mitarbeiter.

Bürgermeister Klaus Krützen berichtet von immer schlimmeren „Tabu-Brüchen“ gegen seine Mitarbeiter.

Foto: Stadt Grevenbroich

„Ich weiß nicht, wie die Menschen vor 30 Jahren drauf waren, aber in den vergangenen sieben Jahren hat sich das deutlich geändert. Heute gibt es immer mehr Begegnungen, die nicht schön sind. Die schwierig sind“, macht Bürgermeister Klaus Krützen auf Nachfrage der Reaktion deutlich.

Er berichtet von Beleidigungen, Beschimpfungen, Drohungen und von brenzligen Situationen, in denen der stadteigene OSD hinzugerufen und „nachdrücklicher werden musste“.

Seine Mitarbeiter hätten „zunehmend mit verzweifelten Menschen“ zu tun, wobei die Gründe oft sehr unterschiedlich seien: Oft gehe es um persönliche Schicksale (zum Beispiel Sorge- und Begegnungsrecht oder Kindesentzug), oft gehe es aber auch um Leistungsentzug (ARGE, Ausländerbehörde). Die Bedrohungssituation wäre da bisweilen so prägnant, dass bei den Begegnungen immer ein zweiter oder dritter Beamter im Zimmer sei.

 Erster Beigeordneter Michael Heesch berichtet von „Menschen, die sich nicht zu benehmen wissen“.

Erster Beigeordneter Michael Heesch berichtet von „Menschen, die sich nicht zu benehmen wissen“.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Gerhard Müller

In einzelnen Fällen seien die Leistungsempfänger oder auch zum Beispiel die Obdachlosen in ärztlicher Behandlung (oder gehörten dort zumindest hinein), meistens gehe es aber um fehlende Umgangsformen.

„Selbst bei mir im Vorzimmer hat es schon Vorfälle gegeben, in denen meine Mitarbeiterinnen so angegangen wurden, dass sie in Angst und Schrecken versetzt wurden“, berichtet der Rathaus-Chef.

Und er erklärt ganz klar: „Am Ende des Tages muss ich meine Mitarbeiter schützen.“ Selbst dann, wenn dadurch der Anspruch vom „gläsernen Rathaus“ nicht mehr möglich sei.

Allerdings schiebt er nach, das in den meisten Bereichen diese Problematik deutlich geringer sei: „Der Kontakt zwischen Bürgern und Beamten findet genauso statt wie eh und je. Nur jeder, der ins Rathaus kommt, muss sich ausweisen und sein Begehren erklären.“

Zum Schutz der Mitarbeiter seien die Kontrollen am Eingang notwendig – auch wenn die natürlich zusätzliches Geld kosten. Bürgermeister Klaus Krützen schätzt, dass die Wachleute im Rathaus 150. bis 200.000 Euro im Jahr kosten. (Sie werden über eine allgemeine Haushaltsstelle für alle Security-Maßnahmen abgerechnet.)

Dass diese Wachleute dabei recht unterschiedlich glücklich agieren (siehe die eingangs geschilderte Szenerie), weiß auch der Rathaus-Chef: „Der Markt der Security-Kräfte ist sehr leergefegt. Das Geschäft mit der Sicherheit boomt derzeit ohne Ende.“ Krützen verweist in diesem Zusammenhang auf Erik Lierenfeld, seinen Amtskollegen aus Dormagen, der kürzlich in einer ZDF-Reportage offen über Morddrohungen gegen sich und seine Mitarbeiter gesprochen habe.

Das alte Mütterchen mit Rollator, das im Bürgerbüro seinen Pass abholen wollte und das beim vielfachen Versuch der telefonischen Terminvereinbarung keine Verbindung bekommen hatte, wurde am Ende dann doch zwischengeschoben: Der offensichtlich gut geschulte Security-Mann zeigte Einsehen und ließ die ältere Dame passieren. Und nach kaum fünf Minuten war sie wieder draußen und konnte ihren Rollator Richtung Bushaltesstelle schieben...

Gerhard P. Müller

(Gerhard P. Müller)
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