Der SVG Grevenbroich startet durch: „Wir glauben hier nur an Fußball“

Neurath · Am Horizont lugt hinter den Bäumen das Braunkohlekraftwerk Neurath hervor, ein leichter Frühsommerwind bewegt die Vereinsfahne von „Borussia“ Mönchengladbach im Vorgarten eines angrenzenden Hauses, der Fußballplatz im brandneuen Kunstrasen-Grün scheint einzuladen: „Kommt, spielt auf mir“! Doch ein Bauzaun verwehrt den Zutritt. Noch. Aber Murat Aydin hat den Schlüssel …

Murat Aydin, Suat Ekren, Adil Ekren und Hüseyin Yildirim (von links) mit dem SVG Grevenbroich-Logo – „Jetzt oder nie!“.

Foto: KV./Pucks

Man könnte die Szene hier an der Glück-auf-Straße im Süden der Stadt auch schön im übertragenen Sinne beschreiben. Der geschäftsführende Vorstand des SVG Grevenbroich, früher passabler Oberliga-Kicker, hält den Schlüssel zur Zukunft seines Klubs in den Händen. Aydin hat die Brüder Suat und Adil Ekren sowie Hüseyin Yildirim mit zum Gespräch auf der künftigen Anlage des SVG mitgebracht. Vorstandskollegen. Die, mit denen er unter anderem „Vollgas gegeben hat“ in den Monaten seit Jahresbeginn. Um als Fußballklub durchzustarten – nachdem alles vor gut anderthalb Jahren schon fast vorbei schien.

Der Reihe nach: 1988 gründen türkischstämmige Grevenbroicher den SV Genclerbirgligi. Übersetzt heißt das in etwa Jugendunion, dem bekannteren italienischen Juventus entsprechend.

Der neue Klub, viele seiner Kicker arbeiten beim Kraftwerkbetreiber RWE, schafft Identität über das Viertel, aber auch über den Brötchengeber. Man teilt sich mit der SG Frimmersdorf-Neurath die Anlage an der „Erft-Halle“. „Unsere Väter haben den Verein aus der Taufe gehoben“, sagen Suat und Adil Ekren, als Jugendliche eingetreten und nach ein paar, auch höherklassigen Klub-Stationen wieder zurückgekehrt, heute.

„Sie sind zusammen hier aufgewachsen, die meisten fußballverrückt, haben auf der Straße gespielt. Logo, dass auch wir jetzt mit Herzblut dabei sind.“

Vor etwa zehn Jahren wurde der Klub auch vom Namen her ein sofort ersichtlicher Verein der Stadt, der SVG Grevenbroich trägt den türkischen Gründungstitel seitdem in den Anfangsbuchstaben.

Dann steht das geteilte Sportareal an der Erft-Halle vor dem Aus (siehe Kasten). „Der Zustand der Plätze, ein Aschefeld und ein ziemlicher Rasenplatz-Acker, war ohnehin schon miserabel“, erinnert sich Hüseyin Yildirim.

An der Glück-auf-Straße plant die Stadt 2019 die Sanierung der ebenfalls in die Jahre gekommenen Sportanlage dort. Die bisherigen Platz-Partner sollen hier künftig wieder gemeinsam spielen. 2023 beginnt der Bau, die Fertigstellung, zunächst für Ende vergangenen Jahres vorgesehen, verzögert sich. Doch nun, zur neuen Fußballsaison nach den Sommerferien, soll es soweit sein.

Gerade rechtzeitig, denn Aydin und sein Vorstandsteam, alles geborene Grevenbroicher, haben Vorarbeit geleistet. Und wie: „Wir haben seit unserem Start im Januar 2025 über 500 neue passive und aktive Mitglieder in den SVG geholt“, sagt Aydin. Vorher seien es unter 50 gewesen. Resultat auch eines schleichenden Identifikationsverlustes. Vor rund drei Jahres sei es losgegangen, so das Quartett unisono. Der damalige Vorstand hätte den Fokus nur auf die erste Mannschaft gelegt, Spieler aus Neuss und Düsseldorf hätten den Kader gebildet. Suat Ekren: „Das war kein Grevenbroicher Verein mehr.“

Zurückschauen und vor allem das im Fußball ohnehin verpönte Nachtreten möchten die vier jedoch nicht mehr. Nur so viel: „Unsere Vorgänger wollte dicht machen, doch wir haben gesagt: Wir machen weiter, wir übernehmen“, sagt Murat Aydin. „Jetzt oder nie.“ Sie werben für den Klub, rekrutieren auf denkbar schlechter Basis – „wir hatten kaum noch Kicker“ – Jugendspieler für eine E- eine F- und eine B-Jugend, eine erste Mannschaft in der Kreisliga B und eine Reserveteam. Auch eine Altherrenmannschaft steht. Aydin lacht: „Da gibt es aktuell fast 60 Spieler.“ Sponsoren ermöglichen es, den Kindern Trikots und Trainingskleidung zu stellen. „Das spricht sich in der Schule rum“, sagt Aydin. „Und das hilft uns weiter.“

Unterstützung bei Akquise und Organisation kommt von außen. Der 1. Vorsitzende der SG Frimmersdorf ist SPD-Bundestags-Abgeordneter Daniel Rinkert. Er hilft, die Planungen für die neue Anlage voranzutreiben. Die Grevenbroicher Diyanet-Moschee mit ihrem langjährigen Vorsitzenden Yahya Cakar – Aydin: „Der steht in guter Verbindung zu unserem fußballverrückten Bürgermeister Klaus Krützen“ – fungiert als Multiplikator für weitere Spielergewinnung.

„Wir alle vertreten Grevenbroich, das ist genial“, freut sich Aydin deutlich.

Und obwohl in der Tradition ein migrantischer Verein, „sind wir offen für alle, haben schon eine Reihe deutscher Spieler“, sagt Yildirim. „Wir sind betont multikulturell.“

Murat Aydin ergänzt: „Wir fühlen uns als Grevenbroicher, jeder ist herzlich willkommen. Muslim, Christ, Atheist – das interessiert uns nicht: Wir glauben hier nur an Fußball, das ist unsere Religion.“

Ende Mai hat es noch einmal eine Besichtigungstour auf der neuen Anlage gegeben. Im August, so hoffen alle, stehen Spielfeld, Clubhaus und auch der angrenzende Spielplatz zur Verfügung.

Die Zutaten für einen „familiären Verein“, der auch Hüseyin Yildrim vorschwebt.

Er selber hat eine Trainerlizenz. Er, Ex-Spieler der SVG aber auch zwei noch aktive Fußballerinnen sind in den Trainingsbetrieb eingestiegen. Hüseyin Yildirim bewegt zudem der Inklusionsgedanke. „Wenn es uns gelingt, Kinder mit Handicap, wie es etwa die SG Holzheim in Neuss derzeit vormacht, an uns zu binden und hier spielen zu lassen, wäre das super.“

Er hoffe, dass sich Betroffene finden und melden. Am besten bei Murat Aydin (Telefon 0177/3 33 70 07). „Der ist der richtige, er setzt sich einfach leidenschaftlich für Kinder ein“, lächelt Yildirim zum Abschied.

„Murat hat den Kids jetzt auf eigene Kosten Schienbeinschoner gekauft.“ Der Angesprochene wirkt erst etwas verlegen, dann nickt er – und schließt vorübergehend ab.