1. Grevenbroich

: „Haben Sie schon einmal in leuchtende Kinderaugen geschaut? Das ist toll!“

: „Haben Sie schon einmal in leuchtende Kinderaugen geschaut? Das ist toll!“

Bald ist es wieder so weit: Laternen ziehen durch die Straßen und Kindergesang erfüllt die Häuser. Wer kennt nicht die Geschichte vom großzügigen St. Martin, der seinen Mantel mit dem Bettler teilt? Diesem Helden haucht Heinz-Gerhart Schroeder, der von seinen Freunden liebevoll „Haggy“ genannt wird, nun schon seit 25 Jahren Leben ein.

Wevelinghoven. „Aber ich spiele nicht nur den St. Martin, sondern auch den Nikolaus und den Weihnachtsmann“, lacht der 56-Jährige etwas verlegen.

Aber von vorn. „Es fing alles 1989 an, als mein Vater, seinerseits Schneider, den Auftrag bekam, ein Weihnachtsmann-Kostüm für die Schaufensterpuppe einer Gierather Gaststätte zu nähen“, erinnert er sich. „Er brauchte Maße, auf die er das Kostüm schneidern konnte, also hab ich mich freiwillig zur Verfügung gestellt.“

Nachdem die Bürger die unbewegliche Schaufensterpuppe doch etwas langweilig fanden, kam dann die Idee auf, einen „echten“ Weihnachtsmann auftreten zu lassen. „Ich hab dann gesagt, ich mach das gerne, das Kostüm hat mir gepasst wie angegossen“, schmunzelt „Haggy“ Schroeder.

Zufällig war die Schwester des Wirts Erzieherin im Wevelinghovener Kindergarten und fragte ihn, ob er nicht auch dort den Nikolaus spielen wolle. Lange Zeit zum Überlegen brauchte der engagierte Gierather nicht.

„Also bin ich dann mit dem Weihnachtsmann Kostüm zum Kindergarten gekommen und die Erzieherinnen guckten mich total entsetzt an: ,Du bist doch der Weihnachtsmann und nicht der Nikolaus´. Und so wurde kurzerhand aus ein bisschen Pappe eine Mitra – und ich zum Nikolaus“, erzählt er lachend.

An dieser Stelle möchte er den Kindergarten der Gartenstadt noch einmal ganz besonders loben: „Seit nun schon fast 25 Jahren organisiert das Team ein eigenes Martins Fest. Da gibt es sogar ein Feuer für die Kinder auf dem Kindergarten-Gelände.“

Nach diesem Auftritt war er sich damals sicher: ein echtes Nikolaus-Kostüm muss her. Also leiht er sich von der Kirche als Vorlage einen Bischofsmantel und sein Vater schneidert ihm einen eigenen.

Allerdings ist Heinz-Gerhart Schroeder auch Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Gierath und spielt dort seit 1995 ebenfalls den St. Martin. Wie es dazu kam? Wieder Zufall: „Als freiwillige Feuerwehr begleiten wir den Martins-Zug und in einem Jahr ging ich neben dem Pferd des damaligen St. Martins, der sich auf einmal zu mir runter lehnte und mir zuflüsterte, dass er keine Lust mehr hätte, den Job zu machen und ob ich nicht Interesse hätte“, erklärt der 56-Jährige.

Er willigte natürlich ein und nahm sogar extra Reitstunden. „Zehn Stunden muss man pro Jahr vorweisen können, sonst bekommt man kein Pferd geliehen“, weiß Schroeder. „Allerdings ist das meiner Meinung nach viel zu wenig. Es ist wichtig, sicher auf dem Pferd zu sitzen, um Unfälle vermeiden zu können“.

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So beginnt er hobbymäßig zu reiten und gründet sogar eine Gruppe, die „Vorreiter“, welche auch wenig später im Schützenverein zu sehen sind.

Doch zurück zu seiner Rolle als St. Martin: Durch den großen Umzug im Dorf wird wenig später auch der Gierather Kindergarten auf ihn aufmerksam und engagiert ihn.

Wobei „engagieren“ eigentlioch das falsche Wort ist, denn der 56-Jährige tritt ohne Bezahlung auf: „Das läuft alles über Mundpropaganda. Ich war auch schon bei Kegelclubs oder anderen Festivitäten.“

Die Anfragen überhäufen ihn so, dass er sich seit 30 Jahren grundsätzlich am 5. und 6. Dezember Urlaub nimmt.

Zu den Auftritten kommt er dann nicht immer ganz alleine, denn: „Ich brauch ja jemanden der meinen Sack trägt“, scherzt Schroeder.

So begleitet ihn hin und wieder der Knecht Ruprecht, welcher übrigens von einem anderen Mitglied der freiwilligen Feuerwehr gespielt wird. Nur zu den ganz Kleinen bringt er seinen Helfer dann nicht mit: „Ich glaube, dass würde den Kindern noch zu viel Angst machen“, ist sich der erfahrene Heiligen-Darsteller sicher.

Doch die Eltern haben teilweise hohe Erwartungen an den Nikolaus: „Manche verlangen von mir das, was sie in 365 Tagen nicht geschafft haben“, lacht der 56-Jährige.

Trotzdem besucht er am liebsten die Kleinen und auch die älteren Leute: „Die fühlen sich durch mich wieder in ihre Kindheit versetzt“, freut er sich echt.

Auf die Frage, warum er die Aufgabe jedes Jahr übernimmt, fallen ihm viele Gründe ein: „Zum einen möchte ich natürlich die Tradition bewahren, zum anderen zeigen St. Martin und der Nikolaus gute Dinge auf. Und eben diese, die noch verbessert werden könnten. Außerdem: Haben sie schon einmal in leuchtende Kinderaugen geschaut? Das ist ein tolles Gefühl! Ich freue mich, wenn sich die Kinder freuen.“

Nikolaus, St. Martin oder doch der Weihnachtsmann? So ganz kann sich Schroeder dann doch nicht entscheiden: „Der Nikolaus soll Würde ausstrahlen, deswegen fände ich ihn unpassend für zum Beispiel eine Betriebsfeier. Wenn es mal etwas lustiger sein soll, dann passt der Weihnachtsmann natürlich besser“.

„Im Bezug auf den Lerneffekt bringt St. Martin allerdings mehr als der Nikolaus, denn die Geschichte vom römischen Soldat, der seinen Mantel teilt, kennt jeder, über den Nikolaus hingegen gibt es viele Geschichten, die nicht so bekannt sind“, erklärt er im Gespräch mit dem Erft-Kurier.

Er persönlich hat sich in seiner Kindheit immer gewünscht, dass der Nikolaus ihn auch mal besuchen kommt, doch das ist leider nicht passiert. „Aber Nikolaus-Geschenke haben wir bekommen“, beruhigt er schmunzelnd.

Und auch generell passt der 56-Jährige hervorragend in seine Rolle, denn: „Ich selber teile ständig, das war schon immer so. Besitz ist mir nicht so wichtig.“

„Außerdem wäre es, glaube ich, schwer, den St. Martin zu verkörpern, wenn man selber eine ganz andere Grundeinstellung hat“, fügt er ein wenig nachdenklich hinzu.

Doch diese besitzt Schroeder definitiv und kann stolz auf 30 Jahre zurückblicken, in denen er als Nikolaus aufgetreten ist. St. Martin spielt er auch schon seit rund 25 Jahren.

Da scheint die Frage nach einem Nachfolger ja durchaus berechtigt. „Ich selber habe mir keinen festen Zeitraum gesetzt, in dem ich aufhören werde“, erklärt er.

„Allerdings gehe ich in vier Jahren in Rente und die Gesundheit ist ja auch eine ausschlaggebende Sache. Wenn sich also jetzt spontan jemand melden würde, der den Job übernehmen möchte, dann würde ich ihn abgeben. Man muss das Eisen schmieden solange es noch heiß ist“, lacht er.

„Trotzdem würde ich gerne sicher sein, dass die Tradition weitergeführt wird. Dann vererbe ich auch meinen Mantel“, strahlt er aus vollstem Herzen begeistert.

Für den „St. Martin“-Posten hätte er vielleicht schon jemanden gefunden, deutet „Haggy“ Schroeder ganz geheimnisvoll an.

Dann sind wir doch mal gespannt auf die nächsten Jahre! Und wünschen ihm bei seinen Auftritten in den nächsten Tagen viele schöne Begegnungen mit Jung und Alt.Schurig