Gerd Busch, Paul Lochmann, Emil Berliner und der Goldlikör: Als die Musik transportabel wurde

Hemmerden · Seit er als Kind die „echten“ Kirmes-Orgeln erlebt hat, hat Gerd Busch aus Hemmerden ein Faible für mechanische Musik. 2004 legte er sich dann die erste Drehorgel zu, erfand zusammen mit Robert Jordan eine passende Veranstaltung in der Grevenbroicher Innenstadt dazu, die 2007 gar in einem „Drehorgel-Kongress“ mündete.

Gerd Busch präsentert eine Schellack-Platte.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Mit der Drehorgel war Busch anschließend im ganzen Bundesgebiet unterwegs. „Das ist aber ziemlich aufwändig und anstrengend“, resümierte er im Gespräch mit der Redaktion. Irgendwann verkaufte er seine Drehorgel und legte sich ein „Reise-Grammophon“ (Baujahr 1935, kurbelbetrieben) zu. Und eine neue Leidenschaft war geboren: Inzwischen hat er 18 Plattenspieler aus den unterschiedlichsten Zeitstufen und für die unterschiedlichsten „Scheiben“: Blech, Schellack und Vinyl.

„Die Revolution für die reproduzierbare Musik kam Ende des 18. Jahrhunderts, als aus der Walzenspieldose der Lochplattenspieler wurde“, weiß er zu berichten. Das Prinzip blieb gleich: Töne erzeugende Blechfedern werden von den „Noppen“ auf der Walze oder in der Scheibe in Schwingungen versetzt. Die ersten Spieldosen waren auf eine Melodie beschränkt, später konnten von einer Walze zwei Melodien gespielt werden. Mit den Lochplattenspielern wurde dann die Vielfalt größer.

Saphirnadeln in der historischen Vorratsdose ...

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Dabei mussten die „bestifteten Walzen“ von Hand gefertigt, jeder „Noppen“ einzeln und korrekt eingeschlagen werden. Viel Aufwand, kein Wunder, dass dieser „Freizeitspaß“ den reicheren Häusern vorbehalten blieb. Das galt auch noch für die Lochplatte, die Paul Lochmann 1877/78 auf den Markt brachte. Aus seiner Idee entwickelte sich ein großes Unternehmen mit Sitz in Leipzig (500 Mitarbeiter!), das auch noch florierte, als Emil Berliner ein paar Jahre später das Grammophon und die Schellackplatte als Patent anmeldete.

Sehr wertvoll: der „Ragtime Rastus“.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

„Der Siegeszug des Grammophons war aber nicht mehr aufzuhalten“, so Gerd Busch. Gerade die mit dem Trichter kamen sehr in Mode und gelten noch heute als das „richtige“ Grammophon. Sie liefen ohne Strom, mussten per Federwerk aufgezogen werden. Gerade deshalb eigneten sie sich aber für die Reise. Mobile Musikwiedergabe weit vor dem Walkman.

His Master´s Voice.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Übrigens: Die älteste Schellack-Platte in der Busch´schen Sammlung stammt aus den 1920er Jahren und bietet eine schmissige Musik, wie sie Cineasten aus den frühen Heinz-Rühmann-Filmen noch kennen. Eine andere Sonderheit in der Sammlung ist eine kleine Werbeplatte vom Anfang der 30er Jahre. Die Frage „Was schenken wir der Mutti zu Weihnachten?“ wird mit „die kleine Conti“ beantwortet. Der Autor fühlte sich an die Papp-Schallplatte in der elterlichen Musikbox erinnert, auf der Ted Herold Werbung für „Hertie“ trällerte …

Eine Mini-Platte, die zu Werbezwecken eingesetzt wurde.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Auch eine Kuriosität ist „Ragtime Rustus“: eine Konstruktion, die über der Schallplatte auf das Wiedergabegerät gesetzt wurde. Die Gliederpuppe wurde dann durch die Drehung der Scheibe in mehr oder weniger rhythmische Bewegungen versetzt.

Eine Spieluhr in einer Goldlikör-Flasche von „Bols“.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

In der Zeit kamen dann auch so genannte „Orchestrions“ in die Gaststätten, so etwas wie grob maschinelle Vorläufer der Musikboxen. „Da konnte die Sechs-Mann-Band aber nach Hause gehen“, kommentiert Busch. Man sieht: Schon früher hat die Technik den Menschen in bestimmten Bereichen überflüssig gemacht.

Ende der 50er Jahre ging es dann dem Grammophon und der Schellack-Platte an den Kragen. Das Vinyl kam und machte Musik noch leichter abspielbar. Gerd Busch besitzt eine „Hutschachtel“, ein frühes Gerät von „Phillips“ mit Saphirnadeln und dem Lautsprecher im Deckel, mit dem man Schellack und Vinyl abspielen konnte.

Apropos Nadel: „Die Nadel ist bei jeder Schallplatte einige 100 Meter unterwegs. Dabei schrägt sich die Spitze ab. Sie wird stumpfer und spaltet mit der Zeit die Rillen auf“, erläutert der Hemmerdener. Wenn er seine alten Platten hört (oder auch vorführt), tauscht er nach jeder Seite die Nadel aus. „Die sieben Cent ist es mir wert“, kommentiert er.

Gerd Busch hat eine tolle Sammlung: Abspielgeräte. Schallplatten. Nadelboxen. Werbe-Gadgets. Und er ist weiter auf der Suche nach zusätzlichen Exponaten. Nach dem Interview fuhr er so nach Belgien, in der Hoffnung auf einen neuen Ankauf. Wer Dinge aus diesem Bereich im Keller oder auf dem Dachboden stehen hat und sie loswerden möchte, kann sich direkt bei ihm melden (0157/71 15 10 27).