Zu Putins Krieg in der Ukraine Drei Sudanesen: Leiden der Flucht, Hoffnung auf Zukunft

Grevenbroich · Seit einem Jahr führt Russland nun Krieg gegen die Ukraine. Von diesem Krieg sind die Lebenspläne vieler Menschen durcheinander gewirbelt worden, die eigentlich nichts mit dem Konflikt zu tun haben, wie zum Beispiel die drei Brüder Ibrahim (27), Mohamed (24) und Obai (22) Ahmed und ihre Mutter Fatima.

Jennifer Bergmann, Mohamed, Fatima Taha, Ibrahim und Obai Ahmed (von links).

Jennifer Bergmann, Mohamed, Fatima Taha, Ibrahim und Obai Ahmed (von links).

Foto: KV/Reschke

In ihrem Heimatland Sudan besuchten die drei eine englische Privatschule. Der hochbegabte Obai schaffte das Abitur schon mit 15 Jahren und suchte anschließend einen Studienplatz für Medizin. Durch einen Bekannten wurden sie auf die Ukraine aufmerksam. Dort seien die Studiengebühren und die Lebenshaltungskosten für sie noch erschwinglich, erzählt Obai.

Er fand einen Platz an einer Universität in der Nähe von Charkiv. Seine beiden Brüder folgten ihm jeweils nach bestandenem Abitur. Ibrahim studierte Ingenieurwesen im Bereich Energie und Mohamed ebenfalls Medizin. Die Studiensprache war englisch, aber russisch lernten die drei im Alltag auch perfekt.

Der Vater hatte sich längst von der Familie getrennt und leistete keinen finanziellen Beitrag. So verkaufte ihre Mutter das Haus der Familie im Sudan, um den Söhnen das Studium zu finanzieren. Sie folgte ihnen dann in die Ukraine.

Ibrahim verliebte sich in die Ukrainerin Jana und die beiden heirateten. Alles lief gut. Dann brach der Krieg aus. Ibrahim und Obai hatten ihr Studium beendet und Mohamed fehlte nur noch ein Semester zum Abschluss.

Es folgte die Flucht der drei jungen Männer mit ihrer Mutter. Jana blieb erstmal bei den Eltern zurück. An die Flucht haben sie keine guten Erinnerungen. Videos von unterwegs zeigen auch ihre totale Erschöpfung. Erst ging es 17 Stunden in einem völlig überfüllten Zug ohne Sitzplatz Richtung polnische Grenze. Die letzten 60 Kilometer mussten sie in einem tagelangen Fußmarsch zurücklegen.

„Die Ukrainer wurden mit Bussen zur Grenze gebracht, aber wir Ausländer mussten laufen. Wir hatten gehofft, wenigstens unsere Mutter bekäme einen Platz, aber leider nicht“, erinnert sich Obai.

Auch in Polen wurde es nicht besser. Kein Taxifahrer wollte sie zum Bahnhof bringen, also mussten sie wieder laufen. Dann ging es mit dem Zug nach Berlin. Dort kümmerte sich eine sudanesische Freundin um die vier Flüchtlinge. Ein paar Tage konnten sie sich erholen, bevor sie nach Bochum ins Aufnahmezentrum kamen.

Voriges Jahr im März wurden die vier der Stadt Grevenbroich zugeteilt und leben seitdem in einer Flüchtlingsunterkunft in Gustorf. „Der Anfang war für uns sehr schwer“, erzählt Ibrahim. „Wir konnten kein Wort Deutsch. Wir kannten die Gesetze und Regeln nicht. In der Ausländerbehörde hieß es, es müsse deutsch gesprochen werden, oder wir sollten einen Dolmetscher mitbringen.“

Da sie keinen ukrainischen Pass hatten, sollten sie nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, sondern einen Asylantrag stellen. Fürs erste bekamen sie nur eine kurzfristige Duldung, die eine Arbeitserlaubnis ausschließt.

Die ukrainischen Flüchtlinge bekommen üblicherweise eine Fiktionsbescheinigung, die auch eine Arbeitserlaubnis und Sprachkurse beinhaltet. Die drei Brüder waren ziemlich verzweifelt, weil sie nicht wussten, wie es weiter gehen sollte. Da kam ihnen Mark Wulf von der Arbeiterwohlfahrt zu Hilfe. Er lotste sie durch den Behördendschungel. Auch Marie Leber setzte sich sehr ein und hat ihnen ihre Rechte erläutert.

Ebenfalls viel Unterstützung erfuhren sie durch den Verein „Starthelfer“ aus der Südstadt, der sich speziell für ukrainische Flüchtlinge engagiert. Dadurch hat Ibrahim im November eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, weil seine Ehe mit Jana anerkannt wurde.

Jana wird im März wohl in Grevenbroich eintreffen. Sie ist schon in Deutschland.

Obai braucht ja noch ein praktisches Anerkennungsjahr an einer Universität. Dafür muss er den Sprachkurs C1 bestanden haben. Derrzeit lernt er für den B2-Sprachabschluss. Wenn er diese Prüfung besteht, darf er ein dreimonatiges Praktikum am Grevenbroicher Krankenhaus machen. Vermittelt hat ihm das der Mediziner Clemens Stock aus Jüchen.

Alle drei lernen fleißig deutsch und sind schon in der Lage, sich zu unterhalten. Dieses Engagement wird mittlerweile auch von der Ausländerbehörde anerkannt. Obai hat eine Fiktionsbescheinigung erhalten für die Zeit, wo er auf die Anerkennung seines Studiums wartet. Auch sein Bruder Ibrahim hat seine Examenspapiere zur Anerkennung eingereicht.

Nur für Mohamed sah es schlecht aus. Er war akut von Abschiebung bedroht. Ulrike Oberbach vom Verein „Starthelfer“ bat Jennifer Bergmann um Hilfe. Sie leitet das Altenpflegeheim Albert-Schweitzer-Haus der Diakonie. „Eigentlich hatten wir keine offene Stelle, aber die Geschäftsführung war sich mit mir einig, dass wir in diesem speziellen Falle helfen wollten“, erzählt die Einrichtungsleiterin. „Wir haben Mohamed einen Jahresvertrag als Pflegehilfskraft gegeben und sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit.“

Die Bundesagentur für Arbeit prüft momentan den Arbeitsvertrag. Wenn der anerkannt wird, erhält er eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. In dieser Zeit will er sein Studium abschließen. Er studiert gerade online an seiner alten Universität. „Zum Staatsexamen werde ich wohl in die Ukraine zurückfahren müssen.“

Alle drei Brüder möchten zusammen mit ihrer Mutter eine Zukunft in Deutschland haben. „Wir brauchen nur Zeit, um ausreichend deutsch zu lernen und auf die Anerkennung unserer Examen zu warten. Dann möchten wir gerne arbeiten und für uns selber sorgen“, ist ihre Wunschvorstellung für die Zukunft.

Jennifer Bergmann: „Wir haben Fachkräftemangel. Warum sollen dann junge Leute abgeschoben werden, die hier gute Arbeit leisten können“.

(Dagmar Reschke)
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