Die Top-Kurier Ortsvorstellung: Das sind jetzt unsere STADT-Teile Gierath: Prachtvoller Ort mit einer Burg, um die sich viele Sagen ringen

Gierath · Endet ein Ortsname auf -rath ist dies zumeist auf eine Rodung zurückzuführen. "Gierath bestand damals aus nur fünf Straßen. Vor 1930 sogar nur aus Fachwerkhäusern", weiß Franz-Willi Förster zu berichten, "an der Jüchener Straße gab es eine riesige Gärtnerei mit einigen Gewächshäusern, die sich über die heutige Beethovenstraße, aber auch am Ackergrund und auf'm Pilgerweg erstreckten." Der Rest ist neu gebaut worden.

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Foto: Alina Gries

Förster selbst bezeichnet sich als Urgewächs der Ortschaft, sogar ein Platz wurde nach ihm benannt.

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Eine Urkunde, in der Gierath das erste Mal namentlich erwähnt wird, existiert trotz einiger Nachforschungen bis heute nicht. Lediglich das Wissen darüber, dass zu Beginn des zwölften Jahrhunderts der Adlige Udo von Mülsfort in dem Stadtteil geherrscht hat, lässt darauf schließen, dass Gierath bereits schon seit 954 Jahren existiert.

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Sogar einen Geist soll es gegeben haben

Eine Burg an der Burgstraße beweist sogar die Herrschaft des Rittergeschlechts. "Das Burggeschlecht hat immer wieder gewechselt", weiß der 82-Jährige, "1632 ging sie nach einem käuflichen Erwerb nach Johann von Märken. Heute lebt Familie Meurers, bereits in mehreren Generationen, in der Burg, während es durch Heirat einer Maria Katharina Fabry in die Familie überging." Sogar einen Weiher um die Wasser-Burg Märken soll es einmal gegeben haben. "Daran kann ich mich sogar noch erinnern. Aus Erzählungen weiß ich, dass die Weiher solche Ausmaße hatten, dass sie vom Fürsten von Dyck und dem Grafen von Märken zu Bootsfahrten genutzt wurden. Sie waren ein Überflutungsgebiet und wurden vom Jüchener Bach gespeist. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Flächen durch Verfüllung nutzbar gemacht."

Sogar einen Geist soll es gegeben haben, der in Form einer alten Jungfrau gute Wanderer zur Burg geleitete, während sie bösen Spaziergängern den Weg verwehrte, sodass diese in der Dunkelheit bitterlich ertranken. Ähnlich wie die Burg wird auch 1257 die Pfarrkirche in Gierath das erste Mal erwähnt. Erstaunlich sei nach Überlieferungen auch hier die Ähnlichkeit zu der Kirche in Bedburdyck.

In nur sechs Wochen stellte er den Dorfmittelpunkt wieder her

So handle es sich Vermutungen zufolge um die Tochter der Martinskirche. Um 1860 wurde die Kirche dann neu gebaut, auch weil Bauer Johann Hoven, dem ein Schild am Kircheingang gewidmet ist, die Kirche als Universalerbin seines Vermögens einsetzte. Weitere Besonderheiten seien, dass bis heute, trotz der vergänglichen Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten, die Glocke erklinge, wenn ein Gierather verstirbt. Sogar das alte Kirchturm-Kreuz befindet sich noch auf der Rückseite der Kirche. "Nur den Hahn hat der Architekt mitgehen lassen", schüttelt Franz-Willi Förster lachend den Kopf. Förster, ein Name, der sich vor allem durch den "Franz-Willi Förster-Platz" in das Gedächtnis der Gierather eingeprägt hat. "Früher hat es an der Jüchener Straße eine alte Pumpe gegeben", erinnert sich der 82-Jährige, "als 1941 ein Erdbunker errichtet wurde, ist die Pumpe verloren gegangen." Lange Zeit hat Förster dafür gekämpft, dass Gierath seinen alten Brunnenplatz wieder erhält.

"Irgendwann habe ich ihn dann selbst gebaut. Es war Hochsommer, mein Rücken hat vor Sonnenbränden gebrannt, es war eine Quälerei, aber ich wollte, dass dieser Platz vor der Kirmes fertig wird", lacht er heute über seine Verbissenheit. In nur sechs Wochen stellte er den Dorfmittelpunkt wieder her.

"In Gierath gibt es doch keinen richtigen Dorfmittelpunkt, das verlagert sich an unterschiedliche Straßen, deshalb war es umso wichtiger diesen Brunnenplatz wiederherzustellen", so der Gierather. Jetzt wo der Oehmenhof von der Stadt Jüchen aufgekauft und abgerissen wurde, weiß er nicht um die Zukunft des "Pumpenplätzchens". Seitens der Stadt heiße es zwar immer noch, dass keine genauen Pläne für die freie Fläche vorliegen würden, Förster sei es aber wichtig "wenn die Fläche bebaut wird und der Brunnenplatz weichen muss, dann aber zumindest an einen anderen Ort".

Fachwerkhäuse rin Gierath

Denn auch mit dem Pumpenplatz erinnert sich Förster gerne an seine Schulzeit zurück. Direkt dahinter hat es einen Schulhof gegeben. Die Schule war am Herberather Weg. "Bei dem Fachwerkhaus dahinter konnten die Familien Kohle abholen. Teilweise standen die Einwohner mit ihrer Schubkarre bis unten zur Kreuzung und haben auf Kohle gewartet", erinnert er sich.

Doch auch an der Neuenhovener Straße reihten sich die Fachwerkhäuser. "Zum Teil sind sie renoviert oder neu gebaut", weiß er. Gerade dort gab es viele handwerkliche Geschäfte. Sogar die Feuerwehr hatte früher ihren Standort an der Neuenhovener Straße, ehe die Wache schließlich an der Bedburdycker Straße neu gebaut wurde.

Während die Einwohner in Gierath entweder am Brunnenplatz oder mit Stühlen vor der eigenen Haustüre die Köpfe zusammensteckten, verbrachte die Jugend viel Zeit in der Gaststätte Engemann "Dä Bass". "Es hat sogar einen Theaterverein gegeben, der dort Operetten aufgeführt hat. Einmal habe ich mich für die Rolle des Amors beworben, ich war aber zu groß", lacht er und zeigt auf einen Jungen im Armor-Kostüm, der die Rolle ergattern konnte. Aber auch nach dem Tanzball in der Gaststätte verzogen sich die Paare, die sich auf dem Ball kennengelernt haben, in die "Liebesgasse" gegenüber. Noch heute wird die Gasse als Durchgang genutzt. "Rechts und links befanden sich nur Gärten", erzählt Förster. Lachend erinnert er sich an die Zeit von früher zurück, als es noch den "Schrubb"-Tag gab. "Gierath hatte früher keine Kanäle, sodass immer samstags am höchsten Punkt angefangen wurde sauber zu machen. Das Wasser floss dann bergab zu den Nachbarn, die ihren Dreck dazuschoben, ehe der Schmutz in den Jüchener Bach abfloss. Die Massen an Dreck sind unvorstellbar", schüttelt er den Kopf.

Darum gelten Guberath mit Gierath als Doppeldorf

Aber auch der Bürgerschützenverein Gierath-Gubberath hat das Doppeldorf weitmäßig geprägt. "Als 1949 der erste Umzug nach dem Krieg stattgefunden hat, durften wir keine Waffen benutzen. Der König des Schützenfestes wurde auch nur mittels ,Hahne Köppe' ermittelt. Dabei wurde ein Hahn in einen Weidenkorb mit dem Kopf nach unten gebunden. Dann musste man mit dem Säbel nach dem Hals des Hahns schlagen. Das wurde aber dadurch erschwert, dass der Korb an Seile befestigt war, die geschwungen wurden", meint Förster. Noch heute erinnert der Schützenbaum zwischen Gierath und Gubberath an die Gemeinschaft zwischen den beiden Dörfern.

Apropos Doppeldorf: "Keine Ahnung wie es dazu gekommen ist. Es gab immer nur eine Kirche und eine Schule, sodass die Gubberather wegen der Nähe zu Gierath immer zu uns gekommen sind. Daraus ist das irgendwie entstanden." Förster selbst macht gerne Spaziergänge durch seine Heimat an der so viele Erinnerungen, Geschichten und Geheimnisse hängen.

(Kurier-Verlag)
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