„Dem düvell gegeven“: Als Hexen noch im „stock“ starben

Grevenbroich · „Wer bei Hülchrath geht über die Brück’, kommt selten oder nie zurück“. Die Hexenverfolgung nimmt einen zentralen Teil ein in der Ausstellung „Niederrheinische Glaubensfragen“ im Verbund der Ausstellung „Himmelwärts“ des „Museumsnetzwerks Niederrhein“ und des „Kulturraums Niederrhein“, die noch bis zum 6. Januar im „Museum der Niederrheinischen Seele“ in der „Villa Erckens“ zu sehen ist.

 Scheiterhaufen im „Museum der Niederrheinischen Seele“: Hier endete das Leben von vielen Hexen. Oft reichte schon ein nachbarschaftlicher Verdacht für eine Verurteilung.

Scheiterhaufen im „Museum der Niederrheinischen Seele“: Hier endete das Leben von vielen Hexen. Oft reichte schon ein nachbarschaftlicher Verdacht für eine Verurteilung.

Foto: Foto: Scheffler

Rostfarbener Himmel über Wevelinghoven mit ein paar Schäfchenwolken. Ein monumentales Foto mit dem Einklinker „Himmelwärts“ stimmt erst einmal friedlich ein. Doch ein Zimmer weiter wird es gruselig. Ein Scheiterhaufen deutet an: Hier geht es den Menschen an den Kragen, die sich dem „düvell gegeven“ haben.

So wie Gertrud up dem Berge aus Fürth, die aufgrund eines nachbarschaftlichen Verdachts 1502 unter Folter gestanden hat, dem Johann von Fürth ein Pferd und einige Schweine getötet zu haben. Nach 87 Tagen in Haft im kurz zuvor vom Grevenbroicher Vogt Johann von Broich erweiterten Gefängnis, dem „stock“, starb sie.

In der Jülichern Amtsstadt Grevenbroich wurde zwischen 1502 und 1554 kräftig gefoltert und hingerichtet. An den Amtsrechnungen (Kellnerei-Rechnungen) des Meister Michel lässt sich ablesen, was ein Scharfrichter dafür brauchte: ein paar Folter-Instrumente, Ketten, Seile und danach Speis’ und Trank.

In der kurkölnischen Unterherrschaft Wevelinghoven kam es 1509 ebenfalls zu einem Prozess gegen vier Frauen, die von ihren Nachbarn als Hexen „besagt“ wurden. Nach elfmaliger Tortur gestanden zwei ihre Schuld und wurden auf einem Scheiterhaufen aus 150 dürren „Schanzen“ (Reisigbündeln) verbrannt.

Im Gebiet des heutigen Grevenbroich ist die letzte Klage gegen vermeintliche Hexerei in Gustorf aus dem Jahr 1706 belegt.

„Das entsprach alles damals der gängigen Rechtsprechung“, sagt dazu Thomas Wolff, Fachdienstleiter des Museums, dazu. Allerdings gab es auch Menschen, die gegen den Hexenwahn ankämpften. Friedrich Spee von Langenfeld (1591 bis 1635) war so einer, der sich gegen Folter und Kopfprämien für Richter einsetzte. Auch seinem Einsatz widmet das Museum ein Kapitel.

So richtig friedlich geht es in keiner Abteilung der Ausstellung zu. Viele werden sich daran erinnern: Noch in den 60er Jahren gab es einen evangelischen und einen katholischen Teil auf dem Schulhof. Unterdrückt durch die Re-Katholisierungspolitik der Jülicher Herzöge des 17. Jahrhunderts und nur im kurkölnischen Wevelinghoven durch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens als Gemeinde geschützt, lebten evangelische Christen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im heutigen Stadtgebiet in der absoluten Minderheit.

Das änderte sich erst mit den Flüchtlingswellen aus den ehemaligen Ostgebieten und dem Zuzug der „Gastarbeiter“. So werden in der Ausstellung neben evangelischen und katholischen Gotteshäusern auch zwei ehemalige Synagogen und die Moschee am „Hammerwerk“ betrachtet.

Religiöse Traditionen und Wallfahrten, aber auch die Auswirkungen des Aberglaubens werden thematisiert. Dem letzterem widmet sich Professor Manfred Becker-Huberti am 29. November um 15 Uhr, in seinem Vortrag „aber.Glauben. Was hilft, wenn sonst nichts hilft“.

Führungen durch die wirklich sehenswerte Ausstellung gibt es am 1. November um 15 Uhr und am 4. November ebenfalls um 15 Uhr.

(Kurier-Verlag)
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