Die Sorgen der Betriebsräte: Aluminium-Produzent als „Strom-Dealer“?

Norf/Südstadt · „Die Realität hat uns eingeholt“, seufzte Sigrid Wolf, Regional-Geschäftsführerin des DGB, bei ihrer Pressekonferenz im „Speira-Rheinwerk“ in Neuss. Es ging um das, was Putins Krieg mit der Aluminium-Wirtschaft macht. Was der Strukturwandel von ihr abverlangt. Und darum, wie der Norfer „Museumspark“ zukunftstauglich gemacht werden kann.

Aluminium wird gerade in Zeiten des Klimaschutzes überall gebraucht: Windkraft, Photovoltaik, Leichtbauweisen im Automobilbereich, Folien für moderne Batterien – nur einige Beispiele für die Einsatzbereiche. Und gerade jetzt ist die deutsche Aluminium-Produktion mehr in Gefahr denn je. „Da sind politische Kosten auf dem Strompreis. Kosten, die es nur in Deutschland gibt“, argumentiert Rolf Langhard, Betriebsrats-Vorsitzender im „Speira-Rheinwerk“ in Neuss.

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Dabei klang die Ansage von Betriebs-Chef Rolf Langhard im ersten Moment erfreulich: Auch wenn die Energie-Preise derzeit durch die Decke gehen, ficht das die „Speira“-Betriebe nicht allzu sehr an, weil „gute Stromverträge bis 2025“ das Unternehmen derzeit absichern.

Allerdings liegt genau hier auch die Crux: Die Unternehmensleitung überlegt, eine der beiden Linien aus der Produktion zu nehmen, um so 110 Megawatt in der Stunde Strom „zu sparen“ und wieder zu verkaufen. Langhard: „Damit verdienen Sie mehr als mit Aluminium.“

Und absolut entrüstet schiebt er nach: „Aber wir sind doch Aluminium-Erzeuger und keine Strom-Dealer.“

Von der vorübergehenden Stilllegung betroffen wären 120 Mitarbeiter. „Wie beschäftigt man die weiter? Mit dem Schneiden der Grün-Hecke“, so Langhard weiter. Erst vor zweieinhalb Jahren mussten in den Standorten Norf und Grevenbroich 650 Leute entlassen werden. Heinz Höhner, Betriebsrats-Vorsitzender aus Grevenbroich, erinnert sich noch mit Schrecken.

Heinz Höhner: „Es geht um Speichermöglichkeiten. Wir können nicht die Walzen anwerfen, wenn gerade mal der Wind weht.“

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Betriebsbedingte Kündigungen drohen allerdings aktuell nicht. Die sind in dem „Speira“-Übernahmevertrag nach dem „fair owner“-Prinzip bis Ende 2024 ausgeschlossen.

Sigrid Wolf: „Die Energie-Versorgung muss aufrecht erhalten werden, sonst wird die soziale Schieflage noch deutlicher.“

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Dafür machen sich die „Kumpel“ Sorgen um die Technik in dem Moment, wenn das zweite System wieder hochgefahren werden soll: „Das sind 60 Jahre alte Anlagen. Das ist sehr optimistisch, dass beim Hochfahren alles problemlos funktioniert“, wirft Gisbert Heidelbach, Vize-Vorsitzender des Norfer Betriebsrates, ein.

Udo Fischer: „Es geht nicht um die zwei Grad weniger in der eigenen Wohnung, sondern es geht ums Eingemachte, um unsere Wirtschaft.“

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Und er macht klar: Trafos in solchen Anlagen halten so um die 30 Jahre. Die Trafos in Norf sind 50 bis 60 Jahre alt. Der „Museumspark“, wie er von den Mitarbeitern liebevoll genannt wird, laufe nur noch deshalb so sicher, weil er „gehätschelt und getäschelt“ würde. Das Wieder-Hochfahren stelle aber ein starke Belastung der zahllosen hintereinander geschalteten Öfen dar, so Heidelbach.

Betriebsrats-Chef Rolf Langhard (rechts) und sein Stellvertreter Gisbert Heidelbach.

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Dass der „Museumspark“ immer noch in Betrieb sei, habe seinen Grund in der Tatsache, dass die „Hydro“ „andere Schwerpunkte“ gesetzt und nicht investiert habe. „Speira“ müsse beim Hochfahren dann aber „Geld in die Hand“ nehmen, um die Anlage zu modernisieren.

Die Bereitschaft sei wohl da; immerhin würden derzeit vier Millionen in eine neue Schaltanlage gesteckt (Dauer dieser Maßnahme: vier Jahre – ohne die zu erwartenden Verzögerungen wegen der aktuellen Lieferengpässe).

„Danach“ (nach Putins Krieg und den damit verbundenen wirtschaftlichen Verwerfungen) gehe es darum, den Verbleib der Aluminium-Industrie in Deutschland sicherzustellen. Die Gründer seien in den Rhein-Kreis gegangen, weil die Kraftwerke in Frimmersdorf und Neurath sicher Strom versprochen hätten.

Von dem braucht man in Norf jede Menge: Wenn die Anlage unter Volllast läuft, braucht man ungefähr so viel Strom wie die gesamte Stadt Düsseldorf mit allen dort angesiedelten Industrieanlagen. Langhard: „Wir brauchen Strom, verlässlich. 24 Stunden am Tag. 365 Tage im Jahr. Und das zu akzeptablen Preisen.“

Würden die Kosten oder Auflagen hochgeschraubt, würde das geopolitisch nichts bringen: Die Produktion würde sich nach Brasilien, Weißrussland oder sonst wohin verlagern, wo dann die Ansprüche an Umweltschutz und Nachhaltigkeit deutlich niedriger wären.

Deshalb suchen die Betriebsräte jetzt auch den Schulterschluss mit den Kollegen aus den anderen drei Alu-Hütten in Deutschland. Am 25. August soll es ein erstes Treffen in Hannover geben. Ziel sei es, die Regierungen in Bund und Land zu sensibilisieren. Der simple Anspruch: „Egal, welches Parteibuch ihr habt, kümmert euch um die Menschen, die hier leben. Die hier arbeiten wollen.“

Am Ende gehe es um gute und auch gut bezahlte Arbeitsplätze, die im Rhein-Kreis erhalten werden müssten. „Und das für alle Bildungsschichten“, unterstrich Heinz Höhner. Auch die mit niedrigem Bildungsabschluss könnten im Schichtbetrieb so viel Geld verdienen, dass sie sich einen Mittelklassewagen und das Eigenheim im Vorort leisten könnten.

Udo Fischer, DGB-Chef im Rhein-Kreis, lobte die Unternehmer: „Die Industrie ist längst dabei, ihre Produktion umzustellen. Sie ist schon weit weg von den hohen Verbräuchen. Aber sie braucht Zeit. Und die Zeit muss man ihr nun auch geben.“

Ausdrücklich als „Fan des Rheinwerkes“ wurde Bundestags-Abgeordneter Gröhe erwähnt, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte dort habe. Und der auch stets versuche, zu helfen. Deswegen sei auch ein Ofen nach ihm benannt worden...

(Gerhard P. Müller)
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