Wenn das Haus schief steht: Wann das RWE zahlen muss

Grevenbroich · Diese Schlichtungsstelle ist seit genau zehn Jahren beim Rhein-Kreis an der Schloss-Straße angesiedelt, ist aber für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig. Es geht um Setzrisse, Mulden oder Löcher im Erdreich, um schiefstehende Häuser. Kurzum: Es geht um Bergschäden in Folge des Braunkohle-Abbaus.

Arno Bormann und Bärbel Troles von der „Schlichtungsstelle Braunkohle“ konnten jetzt das Zehnjährige ihrer Einrichtung feiern.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

2010 wurde die „Schlichtungsstelle Braunkohle“ gegründet. 2015 kam sie nach Grevenbroich. An sie können sich alle Grundstücks- oder Hauseigentümer wenden, die glauben, einen Schaden entdeckt zu haben, der sich auf den Braunkohletagebau und die damit verbundenen Sümpfungsmaßnahmen (Grundwasser) zurückführen lässt.

Anders als beim Steinkohleabbau unter Tage, wo die Unternehmen vor Gericht nachweisen müssen, dass sie nicht der Verursacher sind, liegt die Nachweispflicht bei der Braunkohle bei den privaten Eigentümern. Arno Bormann, Vorsitzender der Schlichtungsstelle, weiß, dass dieser Nachweis vor Gericht schlüssig so gut wie gar nicht zu erbringen ist.

Genau deshalb habe die Politik diese Schlichtungsstelle geschaffen, um den betroffenen Bürgern eine Hilfe an die Seite zu geben. Seit der Gründung wurden 300 Fälle bearbeitet. Im Notfall müsse RWE das nicht mehr zu reparierende Haus aufkaufen und auf seine Kosten abreißen.

Dabei hat sich das RWE bereit erklärt, alle Kosten der Schlichtungsstelle (Geschäftsstelle, Gutachten, Sachverständige und so weiter) zu übernehmen. Arno Bormann spricht offen darüber, dass diese Regelung „nicht ganz glücklich“ wirkt. Viele Antragsteller würden denken, dass das RWE, wenn es bezahlt, auch entscheidet.

Dem ist aber nicht so, wie Bormanns Zahlen beweisen. Immerhin hat man zwei unabhängige Juristen im Ruhestand mit der Führung der Schlichtungsstelle betraut: Bormanns Stellvertreter ist Roland Klösgen (früher Landgericht Aachen).

In der Geschäftsstelle selbst arbeiten Bärbel Troles und Gertud Becker, die zugleich auch erste Ansprechpartner für die Hilfesuchenden sind.

Grundwasser-Absenkungen und tektonische Störungen können die Ursache dafür sein, dass ein Haus in Schieflage gerät oder dass im Rasen ein tiefer Abgrund aufreißt.

Voraussetzung für einen Antrag bei der Schlichtungsstelle ist eine Schadensmeldung ans RWE. Das Unternehmen schickt dann seine Fachleute raus, die den vermeintlichen Bergschaden anerkennen (und regulieren) oder ihn verneinen.

In dem Fall kommt dann die Schlichtungsstelle ins Spiel: Für den Fall wird eine Kommission gebildet, in der Bormann oder Klösgen den Vorsitz führen. Antragsteller und RWE sind ebenfalls vertreten. Und beide dürfen aus einem Pool zertifizierter Beisitzer einen Berater ihres Vertrauens wählen. Dieses Fünfer-Team recherchiert und fasst am Ende den Beschluss. Dahin ist ein langer Weg: Nach Klärung der rechtlichen Lage (unter anderem Grundbucheintragung) kommt es zu einem Ortstermin, wo im Beisein der Antragsteller das Objekt besichtigt wird. Dann werden Stellungnahmen des Erft-Verbandes und des „Geologischen Dienstes“ (Bodenbeschaffenheit, tektonische Störungen) eingeholt.

Es folgt ein erster Verhandlungstermin, bei dem die Gutachter ihre Position vertreten müssen. Gibt es keinen Hinweis auf Bergschäden, gilt der Antrag als abgelehnt. Kann ein Bergschaden dagegen nicht ausgeschlossen werden, erfolgt die Schadensregulierung durch das RWE (im teuersten Fall musste es 120.000 Euro an den Antragsteller zahlen).

Sollte die Ursache unklar sein, veranlasst die Kommission weitere Untersuchungen (zum Beispiel Höhen- oder Schieflagen-Messungen), die dann in einem zweiten Verhandlungstermin vorgelegt werden müssen. Die Erfolgsquote liegt übrigens bei 40 Prozent.

Die Verfahren dauern sechs bis acht Monate, was vor allem daran liegt, dass es nur noch wenig Gutachter für Bergschäden gibt und die schon in einem sehr hohen Alter sind. Darüber hinaus dürfen die Gutachter natürlich nicht in Diensten des RWE stehen.

Wenn im kommenden Jahrzehnt die Braunkohleförderung eingestellt wird, bedeutet das nicht das Ende der Schlichtungsstelle: „Auch in 30 Jahren wird es noch Bergschäden geben“, postuliert Bormann.