Ein Jahr integratives Schwimmen beim TV Jüchen „Wir sind eine richtige Familie geworden“

Jüchen · Bald jährt er sich zum ersten Mal: der Startschuss für das integrative Schwimmen beim TV Jüchen. Ein echtes Herzensprojekt – damals wie heute – für den Verein, der stolz auf die Gemeinschaft blickt, die sich daraus entwickelt hat.

Vor einem Jahr startete das integrative Schwimmen beim TV Jüchen und die Gruppe ist seither eng zusammengewachsen.

Foto: Bianca Fleuth

Wenn dienstags um 17 Uhr das integrative Schwimmen startet, gibt es immer ein großes Hallo und viele herzliche Umarmungen, bevor es ins Wasser geht. Denn die Vorfreude auf die kommenden zwei Stunden ist bei den Schwimmern immer groß. „Wir sind hier eine richtige Familie geworden“, strahlt Inklusionscoach Dieter Polack, der den Anstoß zum Projekt gab. Alle würden sich gut verstehen – egal, ob Teilnehmer, Trainer oder Helfer. Besonders schön sei zu sehen, so Polack, wie sehr sich die Schwimmer auch gegenseitig helfen: „Da können sich die ,Ottonormalverbraucher’ eine Scheibe von abschneiden.“

Während die Schwimmer ihre Bahnen ziehen, schauen einige Eltern entspannt vom Schwimmbad-Vorraum aus zu. „Ich habe früher gedacht, dass meine Tochter Jolina eine Bleiente wäre“, schmunzelt Michaela Nickel, „jetzt hat sie schon das Bronzeabzeichen.“ Die Trainer und Helfer hätten einfach ein Händchen dafür, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen und jeden für sich zu fördern. Das zeigt sich auch bei Lukas Maier, wie seine Mutter Andrea berichtet: „Als wir hier hinkamen, konnte er nicht schwimmen und war nicht von der Poolnudel zu trennen. Jetzt schwimmt er frei.“

„Ich finde es wichtig, dass auch unsere Kinder schwimmen lernen“, betont ebenfalls die Mutter von Tim Meißner. Jahrelang sei sie auf der Suche nach einem integrativen Schwimmkurs für ihren Sohn gewesen, stand auf vielen Wartelisten. In Kaarst konnte Tim schließlich einen Kurs besuchen, was aber immer eine lange Fahrt hin und zurück mit sich brachte. Umso schöner sei es, dass es nun in unmittelbarer Nähe die Möglichkeit gebe. Meißner freut sich: „Tim kam von Anfang strahlend hier raus. Das ist das Highlight der Woche.“

Auch Familie Dau freut es zu sehen, wie viel Spaß ihr Sohn Sven, der bereits durch seine Arbeit in der Werkstatt zum Schwimmen kam, hat, gefördert und gefordert zu werden. Und Georg Lammers verrät, dass er gerne zusammen mit seinem Sohn Leo schwimmen geht. Beide sind vollauf vom integrativen Schwimmen begeistert, weil es immer sehr schön und warmherzig sei.

Dieses Miteinander sieht Lara Wirtz, Freizeitassistentin von Leon Vogel, ebenso als großen Pluspunkt: „Man merkt immer wieder, dass es hier ein Treffen unter Freunden ist.“ Für die Kids und jungen Erwachsenen sei es wichtig, auch einmal unter sich zu sein, ohne Erziehungsberechtigte oder andere Begleiter. Diese Möglichkeiten gebe es leider selten, weswegen Wirtz das integrative Schwimmen „total schön“ findet.

Von links: Marvin Müller, Abteilungsleiter Schwimmen, Bernd Lohr, 1. Vorsitzender TV Jüchen, und Inklusionscoach Dieter Polack freuen sich, dass das integrative Schwimmen so gut ankommt und hoffen, dass es noch weiter wächst.

Foto: TV Jüchen

Mittendrin statt nur dabei heißt es währenddessen für Daniel Dürselen, der Bewohner des Lebenshilfe-Wohnhauses in Hochneukirch, die seit Längerem am integrativen Schwimmen teilnehmen, begleitet. Der Heilerziehungspfleger könnte dank des großen Helferteams um Dieter Polack auch vom Beckenrand zuschauen, doch er lässt sich den Spaß im Wasser nicht entgehen. Er berichtet: „So ein Angebot ist Gold wert. Unsere Bewohner können hier Spaß haben, sich austoben, ohne Stress und in einem sicheren Umfeld.“ Manche Klienten würden sich dabei besonders auf das Schwimmen freuen, da es ihnen ermögliche, mit Bekannten aus anderen Orten in Kontakt zu bleiben.

Alle Anwesenden sind sich einig: Das integrative Schwimmen hat den Teilnehmern ganz neue Möglichkeiten eröffnet, sich weiterzuentwickeln. Und das gleich auf mehrfache Weise. Denn manch einer hat nicht nur schwimmen gelernt, sondern beispielsweise auch zum ersten Mal einen Weg alleine mit dem Bus zurückgelegt, um zum Schwimmbad zu gelangen. Wie die Eltern verraten, haben sie selbst außerdem etwas gelernt: loszulassen. Sie schenken dem TV Jüchen das Vertrauen, sich gut um ihre Kids zu kümmern, sodass sie – wie beim Besuch des Top-Kuriers – entspannt zugucken oder die Zeit nutzen können, um Erledigungen zu machen.

Übrigens: Den einen oder anderen Teilnehmer des integrativen Schwimmens treffe man auch zu anderen Zeiten, bei anderen Gruppen im Schwimmbad, wo sie ebenfalls super integriert würden, berichtet Dieter Polack. Andererseits würden viele Menschen bewusst zur Zeit des integrativen Schwimmens vorbeikommen, weil sie die Atmosphäre schätzen. Der eine oder andere packe dann einfach mit an, wie beispielsweise Catarina. Die passionierte Schwimmerin ist mehrmals die Woche im Jüchener Schwimmbad anzutreffen, doch am meisten Spaß mache ihr der Dienstag. „Man hat zwar nicht immer viel Platz“, schmunzelt sie, „aber ich erlebe hier so viele Glücksmomente. Es ist eine tolle Gemeinschaft.“

So zieht die Inklusion immer größere Bahnen. Das macht sich sogar bei den Helfern bemerkbar, wie Polack berichtet: „Es gibt immer mehr Mitglieder, die sich im Bereich Inklusion weiterbilden möchten. Allein nach der letzten internen Schulung haben sich drei gemeldet, die die Ausbildung zum Inklusionscoach machen möchten.“ Dazu gehört zum Beispiel Paula, die als Kind selbst beim TV Jüchen schwimmen gelernt hat und nun als Trainerin aktiv ist. Ihr macht es sehr viel Spaß, beim integrativen Schwimmen mitanzupacken: „Alle sind hier super drauf und man kriegt so viel von den Teilnehmern zurück.“

Vorsitzender Bernd Lohr ist mega stolz, wie sich das Projekt entwickelt hat: „Und es kann weiter wachsen. Das große Ziel ist einfach, dass der Spaß bleibt – bei Teilnehmern und Trainern.“ Mit Blick auf die Zukunft möchte der Verein sein Angebot aber noch inklusiver machen. „Wir würden uns einen Lift wünschen, um Menschen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, auch eine Teilnahme zu ermöglichen“, schließt Bernd Lohr.