Clemens Schelhaas schreibt über seine Begegnung mit dem Dalai Lama „Denn wir sind Menschen voller Hoffnung“

Dharamsalaa · Noch gut eine Woche nach der Begegnung war Clemens Schelhaas regelrecht sprachlos über die besondere Ehre, die ihm bei seinem jüngsten Besuch in Dharamsalaa zuteil wurde: Er durfte nicht nur an einer Audienz des Dalai Lama teilnehmen, sondern wurde vom großen Religionsführer an sein Herz gezogen und freudig umarmt.

Foto: Clemens Schelhaas

Hier sein ganz persönlicher Bericht von den Ereignissen:

„Es gibt Augenblicke im Leben, die brennen sich in die Seele ein!“ Einen dieser kostbaren Augenblicke erlebte ich vor vielen Jahren bei einer Motorradtour in das Hoggar-Gebirge im Süden Algeriens tief in der Sahara. Ich hatte die Nacht im Schlafsack in einer Felsenspalte unterhalb des 2.800 Meter hohen Gipfel des Assekrem verbracht und stieg die letzten hundert Meter zur Klause des Charles des Voucauld empor.

Charles des Voucauld, inzwischen heilig gesprochen und Ordensgründer, hatte hier eine Klause errichtet. Es war Karsamstag. Bei meiner Ankunft bereiteten die Ordensbrüder die Osterfeierlichkeiten vor und über dem Hoggar-Gebirge ging wie am ersten Tag der Schöpfung die Sonne auf.

Ich war mit meiner Tochter Anne, bewährte Begleiterin bei meinen Touren, in Ladakh, dem indischen Teil des Himalayas, unterwegs. Wir sind inzwischen ein „Familienbetrieb“ geworden. Mit Tashi, meiner ältesten Enkelin, starte ich jetzt wieder zu einer größeren Motorradtour in Richtung Süd-Ost-Europa. Anschließend bin ich mit ihrer Schwester Tara auf dem „Camino“, dem Jakobs-Pilgerweg in Spanien, unterwegs.

Ladakh liegt im Grenzgebiet zu Pakistan und Tibet, das Völkerrecht verletzend von China annektiert wurde. China hatte auf Karten festgestellt, dass Tibet einmal zu China gehört hatte. Putin lässt grüßen.

Ladakh stößt im Westen an die Region Kashmir, dem Zankapfel zwischen Indien und Pakistan. Wegen Kashmir kommt es ja regelmäßig zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern. Ladakh hat daher auch strategische Bedeutung. Es war früher ein Königreich und ist auch unter dem Namen „Klein-Tibet“ bekannt.

1982 begann in Ladakh meine „Himalaya-Geschichte“. Inzwischen war ich mehr als 25 Mal dort unterwegs, mehrfach mit dem Motorrad.

Auf unserem Programm stand auch diesmal wieder der Besuch von Dharamsalaa, dem Sitz der Exil-Regierung des Dalai Lama.

Der Dalai Lama, das geistliche und bis 2011 weltliche Oberhaupt der Tibeter, musste 1959 vor den Chinesen fliehen und konnte in Dharamsalaa eine Exil-Regierung installieren. Für mich als Christen stehen der verstorbene Papst Franziskus und der Dalai Lama auf einer Stufe. Zwei Religionsführer, die sich durch eine tiefe Menschlichkeit auszeichnen. Mein Lieblingsbuch über den Dalai Lama ist „Denn wir sind Menschen voller Hoffnung“.

Der 14. Dalai Lama wurde 1935 geboren und wird bald 90 Jahre alt. Ich bin inzwischen 87. Bekannt wurden der Dalai Lama und das Schicksal des tibetischen Volkes in weiten Kreisen durch das Buch von Heinrich Harrer „Sieben Jahre Tibet“.

Harrer, Mitbezwinger der Eiger-Nordwand, wurde bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bei einer Himalaya-Expedition in Indien von der Besatzungsmacht England interniert. Durch eine abenteuerliche Flucht gelangte er in Tibet an den Hof des Dalai Lama in Lhasa und wurde zum Lehrer des Dalai Lama, der damals noch ein kleiner Junge war.

Der Dalai Lama hat sich immer wieder für einen gewaltlosen Widerstand gegen die Verbrechen des kommunistischen Chinas, insbesondere in Zeiten der „Kultur-Revolution“ ausgesprochen und wird trotzdem von China als Staatsfeind angesehen. 1989 erhielt der Dalai Lama den Friedensnobelpreis.

Von unserer Hotelwirtin in Dharamsalaa, einer Tibeterin, erhielten wir den Tipp, per online um die Teilnahme bei einer Audienz beim Dalai Lama zu bitten. Unsere Bitte wurde höflich mit einem Hinweis auf den angegriffenen Gesundheitszustand des Dalai Lama abgelehnt.

Wir ließen aber nicht locker. Auf dem Kloster-Regierungsgelände haben wir uns von Stelle zu Stelle durchgehangelt, wobei der Umgangston auffallend freundlich und entspannt war. Nach mehrfacher Kontrolle unserer Pässe wurde uns dann mitgeteilt – Umgangssprache englisch – dass wir am nächsten Morgen an einer Audienz beim Dalai Lama teilnehmen können.

Pünktlich um 8 Uhr am nächsten Morgen wurden wir empfangen und mit vielleicht hundert anderen Teilnehmern nach strengen Sicherheitskontrollen in eine Anlage geführt, wo wir dann in großer Anspannung auf das Erscheinen „Seiner Heiligkeit“, des 14. Dalai Lama, warteten. Bei einer erneuten Registrierung wurde uns mit Kugelschreiber unsere Registrierungsnummer „20“ auf die Hand geschrieben und der Stempel mit dem Wappen des Dalai Lama auf die Hand gedrückt. Auch hier auffallend der fast freundschaftliche Umgang mit den Besuchern.

Die Spannung löste sich: Der Dalai Lama kann mit einem „Papamobil“ und nahm auf einem Sessel Platz. Die ersten Besucher in der Reihe gingen respektvoll und ehrfurchtsvoll auf den Dalai Lama zu. Der gab jedem die Hand und schaute ihm freundlich lächelnd in die Augen. Anna und ich waren wohl die einzigen nicht gläubigen Buddhisten unter den Teilnehmern.

Und was dann geschah, wird für mich wieder einer der unvergesslichen Augenblicke und ein Rätsel bleiben: Als ich an der Reihe war, nahm der Dalai Lama meine Hand, zog mich an sich und umarmte mich.

In der Bilderstrecke Clemens Schelhaas schreibt über seine Begegnung mit dem Dalai Lama finden Sie Fotos des Dalai Lama mit Clemens Schelhaas und Anne Schelhass-Wöll, des Denkmals für die tibetischen Märtyrer sowie Straßenbilder aus Dharamsalaa.