Klaus Lüttgens „People get ready“-Tour Meile um Meile ...

Grevenbroich · Klaus Lüttgen ist jetzt schon ein paar Wochen im Norden Amerikas unterwegs – mit seinem Rad. Und mit seinem Ei. Nach ein paar Schlaglichtern in dieser Woche kommt jetzt ein erstes Zwischenresumee ...

Foto: www.rocktheroads.com

Klaus Lüttgen scheibt an seine Fans:

Zuerst die Fakten: Samstag 10. Mai, in Bouctouche inNova Scotia. Bisher zurückgelegte Distanz:1.551 Kilometer plus sechs Fähr-Passagen entlang der Südküste Neufundlands sowie einer über Nacht von Port Aux Basques rüber nach Nova Scotia!

Samstag, 10. Mai

...ich liege im Kingsize-Bett des „Bouctouche Inn Motel“ und lasse mein schwer gekränktes Gebein wohlig mit heißem Grog durchziehen...denn es liegt noch sehr viel Regen in der Luft ... Auszug aus dem Liedtext „Regenballade“ (von Achim Reichel), der mir bei soviel Regen auf meiner Tour nun present in den Ohren liegt!

Selbstverständlich trinke ich keinen heißen Grog, sondern viel heißen Kaffee – während ich hier im Motel Zimmer liege und meine Tour für den Erft-Kurier nach nun 5 Wochen Revue passieren lasse.

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28. April: Nach einem weiteren Tag Aufenthalt wegen Regen, steige ich wieder aufs Rad und bewege mich über den Gabot Trail in Richtung Westküste. Es regnet, seit ich vor zwölf Kilometern gestartet bin, unaufhörlich weiter. Dann beginnt der gefürchtete Anstieg zum ersten Horror-Hügel.

Wie zu erwarten, steige ich ab und schiebe meine Fuhre über einige Kilometer hinauf zum Zenit, was mit einem Fahrrad mit soviel Gewicht und einem voll beladenen Ei zu harter Arbeit ausartet! Zu meinem Glück hört es auf zu regnen, sobald ich die Nebeldecke durchstoßen habe. Hier oben liegen noch die Schnee-Reste vom Winter zwischen den Fichten und bei der Abfahrt weht mir ein eiskalter Wind entgegen.

Unten angekommen klart das Wetter dann auf und beim nächsten Anstieg werden meine Mühen mit einem phantastischen Ausblick auf die Westküste von Cape Breton entschädigt.

Stunden Später erreiche ich das „Accolade Hostel“ in Cheticamp an der Westküste..Kevin und Angel sowie der Hund Jonny sind meine Gastgeber in diesem ziemlich archaischen und äusserst ungewöhnlichen Hostel auf Cape Breton! Samt der drei Gastgebern bin ich in einer uralten zugigen Scheune untergebracht, die mit einem Sammelsurium an Möbeln zugestellt ist. Für jeden zugänglich, stehen mehrere Betten in der Scheune herum, die lediglich durch ein paar Stoffreste voneinander getrennt sind. Na ja – Komfortabel ist das keinesfalls, zumal die Toiletten und das Bad unten auf Parterre aufzufinden sind.

Dafür ist Kevin vom Stamm der Miqmag ein wirklich interessanter Typ, der sich sehr mit der Vergangenheit seines Volkes und mit der Frage gesunder Ernährung beschäftigt. Auf seinem Grundstück, so sagt Kevin, möchte er wieder nach alter Tradition den Boden bearbeiten und längst in Vergessenheit geratene Gemüse-Sorten pflanzen. Kevin möchte, dass die Menschen wegkommen vom Fastfood dieser Plastik-Welt und sich wieder ihres traditionellen Lebens bewusst werden. Und im Einklang mit Mutter Natur leben.

Zum Abschied versorgt Kevin mich noch mit ein paar Handvoll grünen Seed, und schüttet noch etwas Meersalz hinzu. „Hier Klaus, nimm davon täglich – das reinigt den Körper und gibt dir Kraft"... Dann gibt Kevin mir noch eine Botschaft mit auf den Weg

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Am 29. April starte ich bei Sonne und angenehmen Temperaturen und erreiche nach 107 Kilometern ziemlich kaputt und müde um kurz vor 22 Uhr meine Gastfamilie in Little Judique. Cathy Cotton und Nadine, eine Freundin des Hauses, haben lange schon auf mich gewartet und nehmen mich sehr freundlich in Empfang. Die Beiden drücken mich herzlich, bevor ich an den herrlich wärmenden Kaminofen verpflanzt und mit riesigen Portionen Nudelauflauf versorgt werde!

Die nun folgenden Tage sind reichlich gefüllt mit ausgiebigen Gesprächen,die wieder Erwartung ob meiner begrenzter Englisch-Kenntnisse erstaunlich gut funktionieren. Am folgenden Tag geht es weiter mit dem Kennenlernen der Region, die mir von Cathy, der pensionierten Lehrerin, ausführlich gezeigt und beschrieben wird.

So lerne ich ihren Bruder Leon kennen, mit dem ich mich an der Aufstellung seines Wintervorrats an Holz abarbeite. Und ich lerne den anderen Bruder, kurz genannt R.G., kennen, der mir mich mit zum Lobster-Fang nimmt, die für jeden Lobster Fischer streng abgesteckten Fanggründe zeigt und mir kurzerhand das Steuerruder seines Bootes, der „Shepard Kompass“, überlässt. Welch ein Glück für mich, diese überaus freundlichen Menschen in Little Judique kennenzulernen!

So lerne ich ganz kurz auch noch die Schwestern und deren Männer und zwei Enkel kennen – schade nur,dass ich sehr bald wieder fahren muss.

Am 3. Mai ist es dann wieder soweit und ich nehme Abschied von den Menschen in Little Judique, von den hart arbeitenden Fischern von Pic Cove und von der Herz allerliebsten Cathy die mir all diese Erfahrungen, ermöglicht hat.

Cathys Worte zum Abschied werden mir immer in Erinnerung bleiben: „Klaus wann kommst du zurück – und bring deine Heidi mit. Ihr seid jederzeit herzlich willkommen"

Wer weiß – in spätestens zwei Jahren ist der Stapel Holz aufgebraucht und auch Leon würde sich, so wie er sagte, ebenso freuen, mich wieder zu sehen...

Bei zunächst gutem Wetter geht's am 3. Mai über 97 Kilometer weiter nach Antigonish, wo ich etwas raus aus Down Town direkt am Antigonish River in einer Art halb überdachtem Holzverschlag nächtigen muss, weil sich nichts anderes fand. Nur grob mit meiner Zelt-Unterlage abgedeckt, bin ich in der Nacht von strömenden Regen überrascht und klitsch nass geworden.

Nur 35 Kilometer durch den Regen auf dem Weg in Richtung Pictou. Cathys Schwester Jean und ihr Mann Michael nehmen mich auf bei sich Zuhause – versorgen mich mit Essen und frischem Trinkwasser und geben mir 100 Dollar mit auf den Weg (Bild zeigt Jean Michael und mich).

Am 5. Mai erreiche ich zunächst New Glasgow, wo mir die Jungs vom „Pictou Bicycle Shop“ die nach nunmehr über 1.200 Kilometern die längst überfällige Reparatur an meinem Kettenspanner und der weit gelängten Kette professionell erledigen.

Dort treffe ich auf Steve von der hiesigen Zeitung, der sich für mein Projekt interessiert.Nach einer kurzen Weiterfahrt treffe ich auf Erik und seine Frau Naomi, die mir Trinkwasser und einen bezaubernden Platz hinter ihrem Haus zum Camping anbieten. Besser kann es nicht gehen

In den folgenden zwei Tagen wird's nun sagen wir mal, speziell weil ich zum einen, wirklich nichts anderes zum Übernachten fand als den Friedhof in Tatamagouche und am folgenden Tag zwar zunächst eine willkommene Begegnung mit Günther auf dem „Amherst Shore Provincial Campground“ hatte.

Günther kam vor 14 Jahren aus Bornheim bei Bonn hierher und arbeitet als Pfleger verschiedener „Provinzial Parks“ hier in der Region.

Ich musste mich dann mit einer urplötzlich auftauchenden Flut Blackflies im wahrsten Sinne des Wortes herumschlagen, die mir, Mückennetz bewährt, meine sauer verdiente Mahlzeit streitig machten und mich am Folgetag die Flucht nach vorne ergreifen ließen...

Dermaßen geschlaucht wollte ich nach drei durchnässten Tagen und Nächten nur noch eines – in ein Motel. Also fuhr ich, was das Zeug hält und verpasste völlig übermüdet die Abzweige und befand mich bald in Amherst. Hier wollte ich aber gar nicht hin und so entschloss ich mich, über den stark befahrenen Transcanada Highway zu fahren und erreichte Gegenwind geplagt nach 113 harten Kilometern Shediac zurück am Ozean.

Dort fand ich wieder nichts Bezahlbares und verbrachte, schweißgebadet und stinkend wie ein Bär, die Nacht auf einer Wiese nach eines Parks...

Solche Erfahrungen prägen und lassen mich demütig werden und sie lassen mich daran denken...ach wie gut ich's doch habe zu Hause bei meiner Heidi und wie schön wär's doch so ein leckeres dreifaches Spiegelei mit Tomate und italienischen Schinken, überbacken mit feinsten Schweizer Käse auf knusprigen vollwert Brot vom Bäcker unseres Vertrauens in Grevenbroich ...

So kehre ich ein im Tim Horten und ziehe mir drei wabbelige irgendwie fern an Hamburger erinnernde Matsche-Brötchen rein und hab immer noch Kohldampf...

Raus aus Shediac, in Bouctouche soll's klappen.Nur 35 Kilometer weiter erreiche ich den Küstenort und nach einem Telefonat mit Aileen kommt die selbige bald schon angefahren, zeigt mir das Zimmer und wir werden Handelseinig. 115 bucks per Night - it's OK, Aileen! Und wenn ich schlafen kann und happy bin, dann verlängere ich morgen

Der nächste Morgen und ich habe gut geschlafen und ich verlängere meinen Aufenthalt und ich bleibe auch weil es positiver Weise mal zehn Prozent Rabatt regnet, gleich zwei weitere mehr Nächte hier im trockenen, warmen und freundlich ruhigen Bouctouche Inn Motel - direkt am Atlantik gelegen in New Brunswick!

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So weit Klaus Lüttgen.

Eine Bilderstrecke findet sich unter Klaus Lüttgen: „People get ready“-Tour

Ein Video findet sich auf der Erft-Kurier-Präsenz auf „Instagram“.

Mehr Bilder auch auf www.rocktheroads.com und dem Instagram-Account rock.the.roads.

(-gpm.)