Klaus Lüttgens „People get ready“-Tour Blut, Schweiß, Tränen. Und Klapperschlangen.

Grevenbroich · Klaus Lüttgen ist jetzt schon viele Wochen im Norden Amerikas unterwegs – mit seinem Rad. Und mit seinem kunterbunten Ei-Hänger, mit dem er nach Kanada zurückgekehrt ist. Hier berichtet er von seinen jüngsten Etappen ...

Rosemary De Lucco Alpert verfasste die 13. Botschaft.

Foto: www.rocktheroads.com

Klaus Lüttgen (66) ist nun schon seit einigen Monaten im Norden Amerikas unterwegs – auf dem Fahrradsattel. Seine Unternehmung „People get ready“ hat das Ziel, auf die Verschmutzung von Gewässern aufmerksam zu machen. Nun berichtet Lüttgen in seinem Logbuch von einer Reise-Etappe vom Tal des Okanagan in Richtung des pazifischen Ozeans – eine Fahrt voller „Blut, Schweiß und Tränen“, wie er sagt.

Wie immer wurde Lüttgen von seinem ei-förmigen Anhänger begleitet, der mittlerweile als Träger einiger Botschaften dient, die ihm seine unverhofften Begegnungen auf den Weg geben.

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Am 23. Juli 2025 begann Lüttgen diesen Teil seiner Fahrt im Städtchen Omak, tief im Tal des Okanagan – einem Ort, an dem das Klima außergewöhnlich trocken und warm ist. Um der sengenden Hitze zu entgehen, startete er spät am Nachmittag, mit dem Ziel, den „Leader Lake Campground“ zu erreichen. Doch schon die ersten Kilometer und die steilen Pässe stellten ihn vor eine Herausforderung.

Trotz der Erschöpfung und der extremen Bedingungen, die ihm alles abverlangten, begegnete ihm aber auch die beeindruckende Natur mit ihren ockerfarbenen Felsen – und mit ihr eine Erkenntnis. „Dir ist schon klar, Lüttgen, dass du dich hier im Land der Kojoten, Pumas und Klapperschlangen befindest!“, sagte er sich. „Manchmal ist es halt gut, wenn man sich darüber im Klaren ist.“

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Doch dieses Wissen bot Lüttgen keine Erleichterung, als ihn nach der Ankunft beim „Lake Campground“ ein bedrohliches Geräusch in Angst versetzte. „Da begann irgendwas in unmittelbarer Nähe neben mir zu zischen, und dann klapperte es so laut wie eine Rassel, direkt an meinem Fuß!“, berichtet er dem Erft-Kurier voller Adrenalin.

Lüttgen gelang die Flucht, doch für ihn bleibt, ganz im Stil von Indiana Jones, eine Erkenntnis: „Zehn Bären oder sogar hunderte Mücken sind mir lieber als die Begegnung mit nur einer Klapperschlange.“

Foto: www.rocktheroads.com
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In den Folgetagen wurde die Gefahr von Waldbränden immer präsenter. An vielen Orten zog der Rauch der kürzlichen Brände durch die Luft, und die verwüsteten Landschaften warfen Schatten über die Schönheit der Natur. Doch an der Grenze zu diesen verbrannten Gebieten blühte das Leben wieder auf, und die ersten bunten Blumen und Schmetterlinge setzten ein hoffnungsvolles Zeichen.

Bei den 44° Celsius, die der Radcomputer anzeigte, entschied sich Lüttgen dazu, an dem Tag mit 19 Kilometern verhältnismäßig wenig Distanz zurückzulegen. „Und obwohl ich bisher nie ans Aufgeben dachte, wird es mir jetzt einfach zu heiß“, schreibt Lüttgen in seinem Logbuch. Die rücksichtslosen Autofahrer und die sieben Prozent Steigung zwangen ihn dazu, eine Pause im Schatten einzulegen.

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Nur ein paar Schlucke lauwarmen Wassers verblieben in seiner Trinkflasche. Wie durch ein Wunder, hielt in diesem Moment ein Truck neben ihm – und mit ihm ein junger Mann, der Lüttgen zwei Flaschen eiskalten Wassers anreichte. „Ich habe dich den Berg hochschieben sehen und dachte mir: ‚Mann, der muss doch ohne Ende Durst haben!‘“, erklärte der Fremde. Seine rücksichtsvolle Art spendete Lüttgen neue Kraft.

Eine weitere besondere Begegnung hatte der Hardcore-Radler in Sedro Woolley, als er Rosemary De Lucco Alpert traf. Sie ist Mitarbeiterin einer Organisation, die Bedürftige mit Lebensmitteln, Kleidung und Trinkwasser versorgt, und ausgebildete Fotografin. 1983 war sie eine der letzten Studenten von Ansel Adams – dem Naturkundler und Fotografen, der während seiner Erkundungen in den Bergen Kaliforniens und in Oregon einzigartige Aufnahmen von Mammutbäumen machte. Am Ende des Gesprächs erklärte sich Rosemary dazu bereit, die 13. Nachricht auf dem Ei zu verewigen – ein weiteres Zeichen der Solidarität.

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Beschwingt von der Begegnung, fuhr Lüttgen dem Sonnenuntergang entgegen – doch der Frohmut hielt nicht lange an. „Ab und an drehe ich mich schon mal um, aber nicht allzu oft. Als ich mich jetzt umdrehe, traue ich meinen Augen nicht. Das Ei ist weg!“, berichtet er.

Sofort presste Lüttgen die Bremse und machte kehrt. In der Dämmerung durchforstete er die Umgebung – rasend vor Angst, unter schmerzenden Gliedern und den Tränen nahe. Zu dem Zeitpunkt schlugen seine Gedanken Haken: „Da vorne habe ich das Ei geöffnet? Nein, nicht hier – dann wieder abbiegen. Ich schaue auf den Tacho, schon fünf Kilometer, dann ein Schuh. Es ist tatsächlich meiner, aber wo ist das Ei?!“

Als er das Ei schließlich am Straßenrand und im Halbdunkel ausmachte, überwältigten ihn die Emotionen: „Ich kann beim besten Willen nicht wirklich erklären, wie glücklich ich war!“

Mit diesen Worten beendet Lüttgen seinen Bericht und verkündet, dass er die Zeilen auf der Fähre „MV Columbia“ verfasst hat. Er befindet sich auf dem Weg durch die Inside Passage von Alaska.

Mehr Bilder auch auf www.rocktheroads.com und dem Instagram-Account.

Und beachten Sie auch unsere Bilderstrecke unter Klaus Lüttgen auf Tour: Blut, Schweiß, Tränen. Und Klapperschlangen.

(-ekM.)