Der richtige Umgang mit Fundtieren „Auch Tiere haben Trennungsschmerz“

Jüchen/Oekoven · Wenn es um das Thema Tiere geht, reagieren viele Menschen emotional statt rational. Besonders Fundtiere lösen gerne Beschützerinstinkte aus. Das wissen wohl nur wenige so gut wie die Mitarbeiter des Tierheims Oekoven, das für Jüchen und umliegende Kommunen zuständig ist.

 Sabrina Schulze-Maaßen ist Leiterin des Tierheims Oekoven.

Sabrina Schulze-Maaßen ist Leiterin des Tierheims Oekoven.

Foto: Tierheim Oekoven

In letzter Zeit fällt auf: Immer mehr Menschen gehen eigenständig auf die Suche nach den Besitzern gefundener Tiere. So tauchen beispielsweise bei „Facebook“ und Co. Beiträge auf, meist mit Fotos, die von den Fundtieren berichten. Selbst bei „Kleinanzeigen“ seien schon Fundtiere auf der Suche nach ihrem Herrchen oder Frauchen eingestellt worden, berichtet Tierheimleiterin Sabrina Schulze-Maaßen. Doch erreicht man damit wirklich die richtigen Leute? „Ich denke, dass die Leute das erst mal gut meinen. Aber ich zum Beispiel habe gar kein Facebook. Würde meine Katze abhauen, wären meine ersten Anlaufstellen immer die Tierärzte und Tierheime in der Umgebung“, erklärt sie.

Auch Benjamin Pasternak, Vorsitzender des Tierschutzvereins für den Rhein-Kreis Neuss, dem Träger des Tierheims in Oekoven, hat prinzipiell nichts dagegen, wenn „Leute sich schon einmal selber bemühen, den Halter eines Fundtieres zu finden“. Immerhin stelle sich in vielen Fällen heraus, dass es Tiere aus der unmittelbaren Nachbarschaft seien. „Dass sie sich Kilometer weit von ihrem Zuhause entfernen, ist eher selten“, erklärt er.

Doch Benjamin Pasternak stellt auch klar, dass die Suche auf eigene Faust nicht die Meldung eines Fundtieres beim örtlichen Tierheim ersetze. Denn Tiere fallen auch unter das im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte Fundrecht. Das besagt, dass ein Fund „unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen“ ist. Sollten „Fundsachen“ nach einer angemessenen Zeit nicht bei den zuständigen Behörden abgegeben werden, kann sich der Finder einer Unterschlagung strafbar machen.

 Benjamin Pasternak, 1. Vorsitzender des Tierschutzvereins für den Rhein-Kreis Neuss.

Benjamin Pasternak, 1. Vorsitzender des Tierschutzvereins für den Rhein-Kreis Neuss.

Foto: Pasternak/privat

Dass sich bei Fundtieren oft nicht an das Gesetz gehalten wird, davon kann Sabrina Schulze-Maaßen viele Geschichten erzählen. So komme es auch schon mal vor, dass die Tiere zwar dem Tierheim gemeldet werden, aber partout darauf bestanden werde, sie nicht dort abzugeben. „Eine der häufigsten Aussagen, die wir hören: Das Tier kann doch solange bei mir bleiben und wenn sich der Besitzer findet, geben Sie meinen Kontakt weiter und er kann sich bei mir melden. Aber das darf man so nicht“, erklärt Benjamin Pasternak, dass auch die Datenschutzverordnung bei dem Prozess nicht außer Acht gelassen werden dürfe.

Und Sabrina Schulze-Maßen mahnt: „Wer ein Tier findet, weiß gar nicht, ob es irgendwelche Krankheiten hat. Das checken wir hier im Tierheim alles direkt zu Beginn. Natürlich auch, ob das Tier gechippt und der Besitzer vielleicht in einem Verzeichnis hinterlegt ist.“ Welche Folgen – gesundheitlich und emotional – das Zurückhalten bei Tieren anrichten könne, daran würden viele Menschen in dem Moment gar nicht denken.

Die Tierheim-Mitarbeiter stellen klar: Sie wollen keinen bevormunden, sondern professionelle Hilfe leisten. Dafür seien sie schließlich geschult. So haben sie beispielsweise auch ein Auge dafür, ob ein Tier misshandelt wurde oder ob es zum Beispiel aufgrund seines Alters „ein wenig zottelig“ aussehe.

Und dem Vorurteil, dass sich Tierheime an Fundtieren bereichern würden, möchten Pasternak und Schulze-Maaßen ein für alle Mal ein Ende setzen. „Wir verdienen kein Geld mit den Fundtieren“, stellt Pasternak klar, „es kostet uns im Zweifelsfall sogar einiges, wenn wir eine Halterermittlung machen oder das Tier medizinisch versorgen lassen müssen.“

Tatsächlich sei es auch schon vorgekommen, dass verunfallte Fundtiere für mehrere Tausend Euro medizinisch behandelt worden seien und die Besitzer aufgrund der Frage, wie man sich mit den Kosten einig werde, ihre Tiere im Tierheim zurückließen. Wie groß war da wohl die Liebe zum Tier?

Laut Fundrecht müssen Fundsachen bei den zuständigen Institutionen sechs Monate verwahrt werden, bevor sie an die Finder weitergegeben oder auch verkauft werden dürfen. Tiere können aber auch schon vor Ende der Frist vermittelt werden. Daher gebe es immer einen Passus im Adoptionsvertrag, dass sich Besitzer in diesem Zeitraum melden und ihr Tier zurückverlangen können, erklärt Pasternak. Aber er gibt zu bedenken: „Ob es für ein Tier emotional und psychologisch sinnvolll ist, ist etwas ganz anderes. Denn auch Tiere haben Trennungsschmerz und emotionale Belastung durch Verlust.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort