„Lobhudeleien für Mertens gibt es mehr als genug“

„Stephan Kunz ist ja nicht blöd. Er neigt nur dazu, Dinge zu verdrehen.“ Dieser Satz entfuhr Bürgermeister Martin Mertens im Rahmen seiner Bilanz-Pressekonferenz vor wenigen Wochen. „Ich hatte jetzt ja auch acht Jahre Zeit, mir das Dinge-Zurechtdrehen von ihm abzu- gucken“, lautet Kunz lässiger Konter, als er gleich zu Beginn des Interviews mit dem Zitat konfrontiert wurde.

 Stephan Kunz liebt den Klartext.

Stephan Kunz liebt den Klartext.

Nettesheim. Und der liberale Bürgermeister-Kandidat vom Gillbach unterfüttert seine Aussage denn auch gleich. Er nennt Beispiele wie den FDP-Antrag, nach dem „Essener Modell“ (Unterstützung bis hin zu einem Mietzuschuss) einen Kinderarzt nach Rommerskirchen zu lotsen. Dieser Antrag sei im Rat von Mertens mit der Unterstützung seines Rechtsamt mit großem Aufwand verdammt worden (beinahe schon unsittliche Ungleichbehandlung und damit kommunalverfassungswidrig).

„Kurz vor der Wahl tritt Mertens nun auf, sagt er habe einen Kinderarzt an der Hand und stellt den FDP-Antrag als eigene Idee nach. Das Ganze hätte man schon vor drei Jahren anpacken können“, ereifert sich Kunz. Leidtragende seien die Familien mit kleinen Kindern gewesen.

Ein anderes Beispiel sei die Pflege der Friedhöfe und Grünflächen. Hier habe die FDP eine Bestandsanalyse sowie die Aufstockung des Bauhofes gefordert, damit die Gemeinde wieder selber die Pflege übernehme könne. „Wir haben da schon ein Auge drauf. Der FDP-Antrag ist überflüssig“, habe der amtierende Bürgermeister damals argumentiert, nur um jetzt kurz vor der Wahl zu verkünden, dass der Bauhof personell aufgestockt und die Friedhöfe in Eigenregie gepflegt werden sollen.

Stephan Kunz sieht also jede Menge Ansatzpunkte, Dinge anders zu machen, wenn er denn Bürgermeister am Gillbach sei. Zum Beispiel in Sachen Bürgerbeteiligung. „Da geht es nicht um Bürgermeister-Sprechstunden und Auftritte bei ,facebook’, sondern um die frühzeitige Beteiligung der Bürger. Und zwar so frühzeitig, dass man sie in Arbeitskreisen quasi zum Brainstorming dazuholt“, betont Kunz die Unterschiede.

So könne man dann auch die Lösung einer der dringendsten Frage angehen: Wie kann man übers Teenager-Alter hinaus Jugendliche und junge Erwachsene an die Gemeinde binden? „Wippen und Schaukeln haben wir viele hier in Rommerskirchen, aber nichts für die Heranwachsenden. Es fehlt an Mitteln, ein Konzept durch Dritte erstellen zu lassen, wie die Attraktivität der Gemeinde gesteigert werden kann“, ätzt Kunz in Richtung Rathaus.

Als Beispiel fürs Versagen in diesem Zusammenhang nennt der liberale Politiker die neue Mobilstation am Bahnhof. „Da kommen ein Kiosk und eine Bäckerei rein. Da hat man sich ja echt Gedanken gemacht“, seufzt Kunz sarkastisch. Immerhin koste das Projekt fünf Millionen und da hätte es sicher optimalere Nutzungen auch im Hinblick auf Jugendliche geben können.

Und Stephan Kunz unterstreicht: „Meine Tochter ist bald 18. Wo soll sie hier in Rommerskirchen hingehen? Da gibt es kein adäquates Angebot.“

Wie gesagt, einer seiner entscheidenden Ansatzpunkte, wenn er das Gillbach-Rathaus führen würde (neben der Hundesteuer). Dass er am 13. September die Mehrheit der Stimmen bekommt, davon geht es allerdings nicht aus: „Ich bin angetreten, weil ich überzeugt bin, dass es Verpflichtung eines jeden Demokraten ist, dafür zu sorgen, dass das ganze auch eine ,Wahl’ ist“, macht er beim Gespräch mit dem Erft-Kurier deutlich.

Und in diesem Sinne lässt er an der Gillbach-CDU auch kein gutes Haar: „Das ist ein Armutszeugnis für eine Volkspartei, die bei den jüngsten Wahlen noch 38 Prozent der Stimmen bekommen hat.“ Aber von CDU-Chef Michael Willmann und Bürgermeister Martin Mertens gebe es ja nur noch „gegenseitige Lobhudeleien“. Kunz weiter: „Wir haben doch schon längst eine große Koalition. Und das nicht zum Besten der Gemeinde.“

Überhaupt lässt er an den Ratskollegen der anderen Fraktion kaum ein gutes Haar: „Es gibt Ratsmitglieder, die in den vergangenen sechs Jahren maximal einen Wortbeitrag geleistet haben und die jetzt wieder antreten“, schüttelt er den Kopf. Er stehe nicht nur in den Ratssitzungen zu seinen Überzeugungen und sei daran gewöhnt, von Mertens und seinen Freunden dafür geprügelt zu werden, winkt Kunz ab.

Und mit wie viel Prozent rechnet Stephan Kunz am 13. September? Zweistellig wäre schön, aber Zeiten wie jetzt die Corona-Pandemie kämen immer den Amtsinhabern zu Gute, sinniert er. Ihm persönlich wäre es auch egal, auf dem dritten Platz zu landen. „Es wäre aber schon bedenklich, wenn der AfD-Kandidat von einer Partei, die in Rommerskirchen noch nie aktiv gewesen ist, die noch keine Akzente gesetzt hat, so viele Stimmen bekommen würde, dass er auf den zweiten Platz käme“, schiebt er allerdings dennoch nach.

Nun, in den kommenden Wochen will Stephan Kunz noch Überzeugungsarbeiten leisten.

Gerhard Müller

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