1. Grevenbroich

Grevenbroicher Helfer im Krisengebiet

Grevenbroicher Hilfe im Krisengebiet : „Das sind 30 Kilometer – da muss man doch einfach helfen“

Erst kam das Durchatmen: Die gewaltige Hochwasserwelle der Erft hatte sich irgendwo vor Grevenbroich ausgetobt. Wir blieben verschont. Und dann kam die zweite Welle, die der Hilfsbereitschaft: Viele Grevenbroicher und Rommerskirchener packten ihre Sachen, fuhren an die am stärksten betroffenen Orte und halfen bei den Aufräumarbeiten.

„Die Leute waren zutiefst gerührt, als wir kamen, um ihnen zu helfen“, beschreibt Bernhard Krüppel, der mit seinem Kollegen Paul Conrad seinen ganz persönlichen Hilfseinsatz in Marienthal an der Ahr leistete.

Aber es gibt auch andere Erfahrungen: Leo Schmitz, der am vergangenen Wochenende zusammen mit acht Freunden, einem Minibagger und vielen Sachspenden an die Ahr gefahren war, erzählt, dass es irgendwann Alarm gab, ein Deich breche. „Wir sind um unser Leben den Berg rauf gelaufen.“ Schließlich gab es Entwarnung. Als sie zurück kamen, stellten sie fest, dass in der Zwischenzeit Plünderer die Notstromaggregate geklaut hatten. „Das ist doch wirklich unglaublich“, ärgert er sich noch immer.

 Bilder des Grauens: Der Wiederaufbau wird sicher Jahre dauern.
Bilder des Grauens: Der Wiederaufbau wird sicher Jahre dauern. Foto: Schmitz

Als Landwirt Dennis Aussem aus Kapellen die Bilder aus den von der Flut betroffenen Regionen gesehen hat, stand auch für ihn sofort fest: Da muss geholfen werden. „Dann habe ich meine zwei Kumpels gefragt, fahren wir dahin, helfen wir den Menschen? Ja oder ja? Ein nein hätte ich nicht akzeptiert“, so Aussem.

 Der Widerspruch: Die schöne Landschaft mit Weinbergen und die Zerstörung in den Orten.
Der Widerspruch: Die schöne Landschaft mit Weinbergen und die Zerstörung in den Orten. Foto: Schmitz

Einem Aufruf von Lohnunternehmer Markus Wipperfürth, der seit Tagen vor Ort ist und seine Eindrücke in „Facebook“-Videos teilt, folgend, machte sich schließlich eine vierköpfige Truppe aus Grevenbroich – Aussem, Moritz Rudolf, René Offermann und Monique Türks – mit drei Traktoren und einem Pferdeanhänger am vergangenen Wochenende auf nach Ahrweiler. „Wir haben alles, was wir persönlich für nötig erachteten, aufgeladen: Frontladerschaufel, Palettengabel, Kettensägen, Benzin, Abschleppseile, Vorschlaghammer, Schüppen…“, erzählt Aussem.

 Leo Schmitz berichtet von einer riesigen Welle der Hilfsbereitschaft: Als er und seine Leute am vergangenen Samstag zum ersten Hilfseinsatz an die Ahr fuhren, hatten sie 300 Brötchen („Herter“), 300 Würstchen („Lidl“) sowie palettenweise Klopapier und Mineralwasser („Vinotheka“) mit dabei.
Leo Schmitz berichtet von einer riesigen Welle der Hilfsbereitschaft: Als er und seine Leute am vergangenen Samstag zum ersten Hilfseinsatz an die Ahr fuhren, hatten sie 300 Brötchen („Herter“), 300 Würstchen („Lidl“) sowie palettenweise Klopapier und Mineralwasser („Vinotheka“) mit dabei. Foto: KV/Gerhard Müller

Die Zustände, die den Kapellener schließlich vor Ort erwarteten, lassen ihn bis heute nicht los: „Egal wo wir da hingekommen sind, es war einfach Horror. Die Bilder, die man im Fernsehen sieht, sind das eine, aber wenn man vor Ort ist, ist das noch einmal was anderes. Das hätte man sich nie ausmalen können, was für ein Leid die armen Menschen ertragen müssen. Die haben nichts mehr.“

Auch Leo Schmitz gibt zu, dass der Einsatz psychisch belastend ist: „Das hätte ich auch nicht gedacht. Du trägst es aber mit dir rum.“ Dabei hätten er und seine Kumpels noch Glück gehabt; andere wären beim Aufräumen auch auf Leichen gestoßen...

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Straßen frei räumen, Erdmassen bewegen – die Kapellener Landwirte taten alles, was in ihrer Macht steht. So begaben sie sich nach einem Tag in Ahrweiler nach Rücksprache mit der Leitung von Feuerwehr und Co. zum Dorf Kreuzberg, das schon seit drei Tagen von der Außenwelt abgeschnitten war. Über eine einsturzgefährdete Brücke seien die Landwirte mit ihren Traktoren noch vor anderen Einsatzkräften dort hingekommen – unverständlich für Aussem: „Wie kann es sein, dass da nicht die benötigte Hilfe hinkommt?“

 Bernhard Krüppel rückte mit Mini-Bagger und jede Menge Diesel an. Er half den Weinbauern in Marienthal beim Wegräumen des Schlamms und beim Freilegen ihrer Maschinen und Gerätschaften für den Weinbau. Er berichtet von großer Dankbarkeit der Flutopfer. Für ihn ist sein Einsatz vor Ort „selbstverständlich“. Wirklich vorbildlich.
Bernhard Krüppel rückte mit Mini-Bagger und jede Menge Diesel an. Er half den Weinbauern in Marienthal beim Wegräumen des Schlamms und beim Freilegen ihrer Maschinen und Gerätschaften für den Weinbau. Er berichtet von großer Dankbarkeit der Flutopfer. Für ihn ist sein Einsatz vor Ort „selbstverständlich“. Wirklich vorbildlich. Foto: ElGa

Zu viel Bürokratie stecke hinter der Vorgehensweise von THW, Polizei und Co. vielerorts: „Es ist nicht persönlich gegen die Helfer, die wollten alle helfen, aber die dürfen teilweise nicht, weil kein Auftrag freigegeben wurde. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Da muss man doch nicht diskutieren, man muss schauen, dass man jeden fähigen Mann mit dem Equipment, was da ist, zum Einsatzort bekommt. Dann muss man sich selber organisieren, das ist das Beste, was man machen kann.“

Es sei ein regelrechter Schlag ins Gesicht, wenn die privat organisierten Helfer nach zwölf Stunden Arbeit aus dem Dorf kommen und beladene Radlader sehen, die nicht einmal die Reifen dreckig haben. „Das hat mich noch die ganzen Tage danach befasst. Das ist ein Armutszeugnis für Deutschland“, ereifert sich Aussem.

Teilweise sei den freiwilligen Helfern die Arbeit auch noch erschwert worden. So durften von den Fluten zerstörte Autos nicht einfach aus dem Weg geräumt werden, da Versicherungen bei entstehenden Schäden durch die Traktoren Probleme hätten machen können. Und um die Versorgung mit Diesel, um die Maschinen am Laufen zu halten, sei sich auch nicht gekümmert worden: „Statt uns 15 Kilometer zur Tankstelle und wieder zurückfahren zu lassen, hätte man ein Dieselfass direkt vor Ort zur Verfügung stellen sollen.“

Es müsse sich in Zukunft dringend etwas an den Abläufen ändern, betont Aussem, um den Betroffenen schnell die benötigte Hilfe zukommen zu lassen: „Wenn ein Anwohner vor Ort sagt, dass man mit einem Landwirt mehr anfangen kann als mit 100 THW- und Feuerwehrleuten, dann sagt das doch alles. Die Menschen, die alles verloren haben, sind froh, dass die Landwirte aus ganz Deutschland helfen.“

Apropos Diesel: Der wird im Krisengebiet vom RWE bereitgestellt und verteilt. Und das RWE stattete auch die Gruppe mit Hacken und Schaufeln aus, die heute Morgen unter der Leitung von Vanessa Döpp mit zwei „Fücker“-Bussen (kostenlos zur Verfügung gestellt) an die Ahr gefahren sind, um dort beim Aufräumen zu helfen (wir werden berichten).

Leo Schmitz’ Truppe wird auch dieses Wochenende wieder an der Ahr verbringen, um weiter zu helfen. Er erzählt von „flammneuen Maschinen“, die dort im Einsatz seien. Und die von Eigentümern oder Herstellern kostenlos zur Verfügung gestellt würden.

Insgesamt ist die Spendenbereitschaft hoch. Und die wird in diesen Tagen und Wochen durch zahlreiche Benefiz-Veranstaltungen noch angeheizt. Auch hierüber werden wir natürlich im Einzelfall genauer berichten.

Daniela Furth

Gerhard Müller