Inspiration „Muppet-Show“: mit Witz und doppelten Boden Sabine Graumann & Kapitän Erdferkel

Grevenbroich · Puppenspielerin Sabine Graumann hat einen ungewöhnlichen und bewegenden Weg hinter sich. Heute lebt sie für ihre Puppen, gibt Workshops rund um das Puppenspiel und begeistert Menschen aller Altersklassen – insbesondere durch improvisierte Acts. So kommt es manchmal dazu, dass ein Esel mit Senioren Kölsche Lieder singt.

Foto: Grauman

Doch bevor Graumann den Mut dazu fand, diesen kreativen Weg einzuschlagen, verbrachte sie viele Jahre in einem sicheren, für sie aber unbefriedigenden Beruf.

Davon berichtet sie mir, als ich sie in einem Café in der Grevenbroicher Innenstadt antreffe. Bei sich hat sie natürlich eine Auswahl an Puppen – den weisen Hubertus, den lebensfrohen Alex und den reiselustigen Kapitän Erdferkel. Besonders Letzterer hat es mir mit seiner quirligen Art angetan – dabei habe ich eigentlich gar keine Verbindung zum Puppenspiel. Nur ganz blass erinnere ich mich daran, wie ich als Kind das Puppentheater besuchte. Diese Erinnerung lässt Graumann wieder aufleben, als ihre Puppen plötzlich mit mir zu interagieren beginnen. Als mich Alex um ein Vanilleeis mit Sahne und Streuseln anbettelt, wird mir bewusst: Diese Frau sprudelt vor Kreativität und Lebensfreude.

Das Spielen lag ihr schon immer im Blut, doch damals in Berlin Puppenspiel zu studieren, das wäre ihr zu riskant gewesen: „Ich wollte eigentlich etwas Künstlerisches machen, doch dazu fehlte mir letztlich der Mut. Schließlich muss man erst einmal etwas ‚Ordentliches‘ lernen und Geld verdienen. So dachte ich damals.“ Könne sie in der Zeit zurückreisen, würde sie diesmal mutiger sein. Dabei gab es in der Theater- und Veranstaltungstechnik nicht nur schlechte Zeiten. Graumann arbeitete in unterschiedlichen Theatern in Ostdeutschland und war sogar Bühnenmeisterin. Doch das alles brach in sich zusammen, als Corona kam.

Foto: Grauman

„Mit meiner Entlassung kam die Frage: ‚Was jetzt?‘“, erinnert sie sich. „Ich wollte etwas machen, das die Menschen aufmuntert. Die Muppet-Show mochte ich schon immer gerne, das war mein Zugang.“ Als Kind habe sie nie mit Puppen gespielt, aber die Muppets hätten sie mit ihrem Witz und ihrem „doppelten Boden“ auf Anhieb fasziniert. Mit ihnen könne sie sich gut identifizieren, und das sei auch das grundlegende Prinzip für das Puppenspiel – schließlich brauche sie eine Verbindung zu den Puppen, in deren Rollen sie schlüpft.

Wie es das Schicksal wollte, bot Puppenspiellehrer Olaf Möller aus Hildesheim Online-Kurse zu dem Thema an. Von da an kannte Graumanns Liebe für das Puppenspiel keine Grenzen mehr und sie begann, regelmäßig für Kinder und Senioren zu spielen. Einen besonderen Moment erlebte Graumann, als eine demenziell veränderte Frau, die das Stück zunächst teilnahmslos verfolgte, bei den Klängen von „Schmidtchen Schleicher“ nach den Armen der Puppe griff und mit ihr zu tanzen begann. „Das hat mich sehr gerührt“, lächelt Graumann. Die Kinder seien ebenso dankbar, und doch: Für Graumann besteht der Wunsch, auch regelmäßig für Menschen im berufsfähigen Alter zu spielen. Mit den „Bremer Stadtmusikanten“ trat sie bereits in Köln in einer Einrichtung für berufliche Neuorientierung auf und stieß auf große Begeisterung.

Auch beim improvisierten, öffentlichen Puppenspiel zaubert sie vielen Passanten nach der Arbeit oder in der Mittagspause ein Lächeln auf die Lippen. „Es ist so schön, wenn sich Menschen durch das Puppenspiel an ihre Kindheit zurückerinnern“, sagt Graumann. „Ich selbst habe gelernt, durch das Puppenspiel einen liebevollen Blick auf die Menschen wiederzufinden.“

Wie viele Puppen Graumann genau besitzt, kann sie auf meine Frage hin nur wild schätzen. „Wahrscheinlich zwischen 20 und 30“, mutmaßt sie. „Einschließlich der kleinen Sockenpuppen, natürlich. Von den Klappmaulpuppen habe ich sechs gebaut.“ Klassische Handpuppen sprächen sie nicht so an, auch, wenn deren Bau vermutlich weniger aufwendig wäre. Wenn sie effektiv von morgens bis abends an einer Klappmaulpuppe arbeitet, kann sie diese in wenigen Wochen fertig stellen. Aufgrund ihres Nebenjobs im Empfang einer Düsseldorfer Klinik kommt sie aber leider nicht oft zu so intensiver Arbeit. Noch rentiere sich das Puppenspiel nicht genug, um von den Einnahmen zu leben.

„Die Puppen verkörpern etwas, das tief in mir drin ist“, berichtet Graumann. Deshalb tue sie sich auch mit vielen gekauften Puppen schwer – besonders menschlichen. Das Bauen sei ein notwendiger Prozess, um eigene Teile in die Puppe einfließen zu lassen. Dies sei genauso wichtig wie die Spielfreude, die es für die Auftritte brauche: „Man muss in der Lage sein, zu spielen wie ein Kind.“