Die Wevelinghovener Kirche Warum die Orgelbühne wie das Brandenburger Tor aussieht

Wevelinghoven · „Die Wevelinghovener Kirche ist ein spannendes Thema. Sie steckt noch immer voller Rätsel. Sie wäre eigentlich ideal als Aufgabe für eine Bachelor-Arbeit.“ Pfarrer Meik Schirpenbach ist ein profunder Kenner des „St. Martinus“-Gotteshaus und so weiß er auch um die offenen Fragen. Zum Beispiel um die beiden rätselhaften Wappen, die sich in einem Jahrhunderte alten Messgewand finden, das nur durch puren Zufall wiederentdeckt wurde. Doch der Reihe nach …

Die wuchtige Orgelbühne, die Planer und Bauherr als Schinkel-Schüler kennzeichnet.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Dass es in unserer Region so viele Kirche gibt, die dem heiligen Martin geweiht sind (neben Wevelinghoven auch Frimmersdorf, Nettesheim, Holzheim und Bedbudyck), hat eigentlich mit dem Oekovener Gotteshaus zu tun: Der Heilige Briktius sollte die Nachfolge des St. Martin als Bischof von Tours antreten. Doch man traute ihm damals diesen „Job“ nicht zu, so dass sich Martin gezwungen sah, sich schützend vor ihn zu stellen. Eingedenk dieser Geschichte wurden in früheren Zeiten rund um Briktius-Kirchen – quasi als Schutzwall – mehrere Gotteshäuser dem Heiligen Martin geweiht.

Schon vor dem jetzigen Gotteshaus hatte an gleicher Stelle eine Martinus-Kirche gestanden, die allerdings nach Osten ausgerichtet war. Und zwar so, dass der Altar am 11. November, am Martins-Tag also, genau im Fokus der aufgehenden Sonne stand, wie es Familie Wachtendonk aus Neukirchen genau erforscht und berechnet hat.

Pfarrer Meik Schirpenbach zeigt das historische Messgewand mit dem geheimnisvollen Wappen oben.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Zwei Skulpturen-Reste der ursprünglichen Kirche finden sich heute rechts und links neben dem Haupteingang. „Das sind wertvolle Arbeiten“, betont Schirpenbach. Die eine zeigt dabei einen Propheten, erkennbar am Spruchband. Was die andere zeigen soll, ist allerdings völlig unklar. Dabei muss man wissen, dass die Wevelinghovener Kirchengemeinde immer schon „bikonfessionell“ war: Bekanntermaßen sollen sich zeitweise der katholische und reformierte Pastor das Pfarrhaus geteilt haben. „Das gehörte damals wahrscheinlich zu einem Vierkanthof, in dem die beiden Geistlichen gewohnt haben“, mutmaßt der heutige Pfarrer. Auf jeden Fall wechselte im Laufe der Jahrzehnte immer wieder die Vorherrschaft in der Kirche selbst. Zeitweise war sie so in der Hand der Reformierten.

Auf der anderen Seite ist dieses Wappen zu finden. Worauf soll es hinweisen?

Foto: KV./Gerhard P. Müller

1833 wurde die „neue“, heutige Kirche gebaut, die dann nicht mehr am Osten, sondern ganz einfach am Straßenverlauf ausgerichtet war. In der damaligen preußischen Zeit wurden die Kirchen übrigens von der „Staatlichen Baubehörde“ (mit Sitz in Düsseldorf) geplant und gebaut. „Diese Leute stammten alle aus der Schinkel-Schule in Berlin“, betont Meik Schirpenbach. Die Kirchen (im ähnlichen Stil wurde auch in Hemmerden und Kapellen gebaut) waren hell, weiß und wuchtig. Gut zu erkennen ist das noch heute an der Orgelbühne. „Die sieht aus wie das Brandenburger Tor“, griemelt der Pfarrverweser.

Die Wevelinghovener seien mit diesem Stil aber nie zufrieden gewesen; sie hätten das Gotteshaus immer wieder verändert und neu gestaltet. 1864 seien so die drei großen Glasfenster entstanden, die hinter dem Altar quasi den Kontrapunkt zu der machtvollen Orgelbühne setzen. Maler und Glaskünstler Friedel Baudri (nebenbei ein ultramontaner Politiker) hat die Arbeiten ausgeführt. Ziel sei es wohl unter anderem gewesen, den Kirchenraum dunkler, heimeliger zu machen. Die anderen Fenster, die zunächst ein Ornamentmuster hatten, wurden in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der heutigen Gestalt angelegt.

Auch ein Schatz: die barocke Figur mit der schmalgesichtigen „Mutter Gottes“.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Zwischenzeitlich wurden die drei Prachtfenster übrigens in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gnadenlos zugemauert. Zusätzliche Säulen wurden im Altarraum errichtet. Über die Gründe kann auch Meik Schirpenbach nichts Näheres sagen. „Erst in den 70er/80er Jahren wurden die Fenster, die zum Glück unbeschädigt erhalten waren, wieder freigelegt.“ Und nachdenklich fügt er an: „Krass, wie viel Geld die hier hatten. Die haben immer versucht, einen neuen Stil zu prägen, und sind dem Zeitgeist nachgegangen.“

Gleiches gilt auch für den Hochaltar, der anfangs richtig hoch war, für die Buntglasfenster abgesenkt, mit dem Errichten der Säulen dann wieder höher wurde, bis er dann irgendwann ganz verschwand. Der Mess-Altar stammt allerdings aus dem 70er Jahren und wurde von Walter Prinz (Kölner Künstler) im leicht kubistischen Stil gestaltet.

Foto: KV./Gerhard P. Müller

Zu den Schätzen der Wevelinghovener Kirche gehört auch die barocke Marien-Figur neben dem linken Kirchenschiff (in früheren Zeiten den Frauen vorbehalten!). Die „Friedenskönigin“ wurde etwa 1680 aufgestellt, in der Zeit also, als die Gartenstadt-Kirche wieder katholisch wurde. Die Skulptur ist nicht nur relativ groß, sondern auch „eine schöne, wertvolle Arbeit“, wie Schirpenbach betont. Was auffällig ist, ist das für barocke Figuren ungewöhnlich schmale Gesicht der „Mutter Gottes“.

Ebenfalls ein besonderer Schatz ist die Orgel, die ab 1837 von Engelbert Maaß aus Köln gebaut wurde. Der hatte die berühmte „Werkstatt König“ übernommen; deren berühmtesten Orgeln stehen heute in Schleiden, Steinfeld und Nimwegen. Dabei ist die Orgel noch heute komplett bespielbar. „Sie hat einen schönen, warmen Klang“, schwärmt Schirpenbach. Allerdings ist das Spielen für die Organisten auch relativ anstrengend, weil zum Beispiel alle Register von Hand gezogen werden müssen. Noch einmal der heutige Geistliche: „Die Orgel ist in ihrem Wert noch nicht entdeckt. Wir wollen sie mit dem Verein ,Historisches Wevelinghoven‘ mal erforschen und ins Bewusstsein holen.“

Apropos „muss dringend mal erforscht werden“: Beim letzten Küsterwechsel wurde in der gesamten Sakristei aufgeräumt, wobei man auch in die tiefsten Schubladen vordrang. Und in der untersten Lade fand sich ein Messgewand, dessen Hauptelemente (der „Stab“ vorne und das „Kreuz“ hinten) aus dem 16. Jahrhundert stammen. Zu erkennen ist dies unter anderem am Kleid der dargestellten Maria Magdalena, das der Renaissance-Kleidung der Damen entspricht. „Damals wurden die Heiligen in zeitgenössischen Kleidern dargestellt“, erläutert Schirpenbach, der sich wundert, dass das Messgewand erhalten blieb, obwohl damals auch ein „Bildersturm“ einsetzte, dem der meiste kirchliche Schmuck und Zierrat zum Opfer fiel.

Um mehr über das Messgewand zu lernen, wäre es wichtig zu erfahren, wofür die beiden Wappen stehen (siehe Bilder). Wer eine Idee hat, kann sich gerne bei Pfarrer Meik Schirpenbach melden. Der violette „Rest“ des Gewandes (im Advent und in der Fastenzeit im Einsatz) ist übrigens deutlich jünger. Irgendwann wurden die historischen Teile nämlich auf ein neues Gewand aufgenäht.

Ja, das Gewand sei „kulturhistorisch wertvoll“, aber nicht „handelstechnisch wertvoll“, so der Pfarrer, der eine Archivarin zitiert, die ihm gesagt habe: „Das Sinnvollste, was man machen kann, ist die Gewänder zu benutzen.“