Die Top-Kurier Ortsvorstellung: Das sind jetzt unsere STADT-Teile Hochneukirch, ein Ort an dem man alles bekommt bis auf neue Schuhe

Hochneukirch · „In Hochneukirch kann man alles kaufen bis auf Schuhe“, lacht Benedikt Obst, Präsident des Heimatvereins Hochneukirch, „und das, obwohl es hier einmal eine Schuhfabrik gegeben hat.“ Sogar eine neu erbaute Straße soll den Namen des ehemaligen Schuh-Unternehmens tragen: Schluppe Scheng.

Hochneukirch, ein Ort an dem man alles bekommt bis auf neue Schuhe
Foto: Kurier Verlag GmbH/Alina Gries

„Hochneukirch hat sich meiner Meinung nach stark verändert, ob zum Guten oder Schlechten kann ich nicht sagen“, überlegt der 31-Jährige weiter, „aber in den vergangenen zehn Jahren hat sich hier verdammt viel getan.“

Dabei hat sich der mit 5.097 Einwohner zweitgrößte Ort der Stadt immer weiter fortentwickelt. „Früher war Hochneukirch sogar größer als Jüchen, heute wurden wir aber eingeholt“, weiß Obst. Das galt vor allem als die Gemeinde Hochneukirch ursprünglich mit Wickrath und Wanlo zusammengeschlossen werden sollte. „Jetzt ist Jüchen der Mittelpunkt“, so Obst. In den Schatten lässt sich Hochneukirch aber nicht gerne stellen.

 Der Behrenturm ist denkmalgeschützt.

Der Behrenturm ist denkmalgeschützt.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Alina Gries

Kneipen und Gaststätten wurden groß geschrieben

„Würde es kein Internet mehr geben und wir wären von der Außenwelt abgeschottet, dann könnten wir hier definitiv überleben“, lobt er die Infrastruktur seines Heimatortes. Seine Familie selbst betreibt eine Bäckerei, die neben zwei weiteren Bäckereien (von früher einmal sechs) noch existiert. „Seit 1903 ist hier in dem Gebäude eine Bäckerei“, so der Hochneukircher, „seit 1941 ist Familie Obst hier eingezogen. Ganz früher war hier auch eine Kneipe.“

Hochneukirch, ein Ort an dem man alles bekommt bis auf neue Schuhe
Foto: Kurier Verlag GmbH/Alina Gries

Denn Kneipen und Gaststätten wurden besonders in Hochneukirch groß geschrieben. „Die Gaststätte in der Mühle war die Kneipe schlechthin im Dorf“, lacht Benedikt Obst, „da muss wirklich alles stattgefunden haben. Die Generation meines Vaters geht total auf diese Kneipe ab und erzählt immer, dass es die beste Zeit gewesen sei.“ Dabei wurde bis in die 50er dort sogar noch Mehl verkauft.

„Mein Opa ist dort auch immer einkaufen gegangen“, verrät Obst. Heute wurde der Schuppen neben der alten Gaststätte in eine Wohnung umgebaut, ebenso wie die Kneipe selber. Ähnlich sieht es bei dem Behrenturm aus, einer weiteren Sehenswürdigkeit in Hochneukirch, die mittlerweile zu einem Wohnhaus umfunktioniert wurde.

Hochneukirch, ein Ort an dem man alles bekommt bis auf neue Schuhe
Foto: Kurier Verlag GmbH/Alina Gries

Peter Bamm ist ein Künstlername

„Der Behrenturm an der Weidenstraße diente unter anderem als Aussichtsturm, um die Bauern bei der Feldarbeit zu beobachten“, erzählt Benedikt Obst. Seit Juli 1989 gilt er als denkmalgeschützt. „Die Historie ist nicht sonderlich verbreitet, es wird aber vermutet, dass der Turm ein Überbleibsel des alten Gutshof der Familie ,von Behr’ ist.“ Recherchen haben ergeben, dass sogar auf dem Familienwappen ein Bär zu sehen war, so dass die Bezeichnungen „Behr“ und „Bär“ naheliegend sind. Auch der Stein und die „Bärenstraße“ sind auf die frühere Familie zurückzuführen. Historisch geht es sicherlich mit der Peter-Bamm-Halle weiter. „Früher standen dort statt der Halle und der Gesamtschule ein Kloster und ein Krankenhaus, das zur Kriegszeit auch als Lazarett benutzt wurde“, so Obst, „mein Vater wurde sogar dort geboren.“

Hochneukirch, ein Ort an dem man alles bekommt bis auf neue Schuhe
Foto: Kurier Verlag GmbH/Alina Gries

1966 wurden die Bauten dann aber an die Gemeinde Hochneukirch verkauft und 1974 zur Errichtung einer Mehrzweckhalle abgerissen. „Der Name ist ein Künstlername von Dr. Curt Emmerich“, erklärt der Präsident des Heimatvereins, „er wurde in Hochneukirch geboren und hat als Schiffsarzt und Chirurg gearbeitet und nebenbei einige Bücher veröffentlicht.“ Bücher, die sogar im Regal von Obst stehen. „Ich habe selber aber noch keines gelesen“, gibt er verlegen zu. Noch im selben Jahr der Eröffnung der Peter-Bamm-Halle ist Dr. Curt Emmerich verstorben.

Synagoge wurde komplett zerstört

Der Schmölderpark und die dazugehörige Villa, in der sich heute die Lebenshilfe befindet, wurde nach der Familie Schmölder benannt. „Der Park gilt neben dem Park in Schloss Dyck als einziger Park in der Stadt Jüchen“, meint Benedikt Obst weiter, „zur Fabrikanten-Familie Schmölder in Mönchengladbach, nach der ebenfalls ein Park benannt wurde, gibt es auf jeden Fall eine enge Verwandtschaft.“ Viel mehr Infos zum Leben der Familie liegen ihm aber nicht vor.

Ebenso wie der „Alte Friedhof“, der damals noch recht abgeschieden platziert war, gilt auch der jüdische Friedhof als Ruheort in Hochneukirch.

„In den 80er Jahren wurde hier der Letzte bestattet“, meint er. Sogar eine Synagoge hat einmal in Hochneukirch gestanden, ehe sie in der Pogromnacht vollständig zerstört wurde. Nur noch ein Gedenkstein erinnert heute an der Weidenstraße, Ecke Von-Werth-Straße an das, was einmal gewesen ist.

Bis 1873 hieß Hochneukirch noch Neukirchen

Anders bei der ehemaligen Kirche und auch des Bahnhofs, die namensgebend für den Ort waren. „Hochneukirch hat es schon weit vor 1302 gegeben, das beweisen alte Siedlungen und Kreuzungen“, erklärt der 31-Jährige die erste urkundliche Überlieferung des Ortsnamens, „bis 1873 hieß Hochneukirch aber Neukirchen. Damit war die Kirche gemeint, die noch vor der jetzigen neu errichtet wurde.“

Durch den Umbau der Bahnhofsstrecke von Mönchengladbach nach Jülich sollte Hochneukirch unbenannt werden. Denn die vorherige postalische Bezeichnung des Ortes lautete „Neukirchen bei Wickrath“ oder auch „Neukirchen bei Odenkirchen“.

„Um den Ort eindeutiger zuordnen zu können, wurde ein Antrag gestellt den Namen ,Neukirchen’ in ,Hochneukirchen’ zu ändern“, weiß er weiter. Wegen eines möglichen Tippfehlers fiel das „en“ am Ende in den Unterlagen der preußischen Kabinettsverfügung jedoch einfach weg. Und so entstand aus dem früheren Neukirchen die Ortschaft Hochneukirch. Mit dem Zuwachs der Ortschaft (hinter dem Bistro ,Treibhaus’ am heutigen Adenauerplatz befand sich nur Feld) folgte auch eine Zersplitterung innerhalb des Ortes.

„Nach Düsseldorf kommt man schlechter als nach Köln“

„Hochneukirch Süd hatte quasi eine eigene Siedlergemeinschaft mit eigenen Festen und Mittelpunkten“, erzählt Obst weiter, „mittlerweile ist die Integration aber gelungen. Wir sind ein Ort.“ Durch die Neu-Verlegung der Strecke von Mönchengladbach nach Jülich gewann Hochneukirch über die ehemaligen Gemeindegrenzen hinaus immer mehr Bekanntheit.

„Früher gab es zwei Aufgänge, der vordere zu den Gleisen sieben und acht war der Richtung Jülich, der hintere Aufgang für die Gleise neun und zehn, der heute noch existiert, war für die Zugfahrt in Richtung Köln. Die restlichen Gleise, die heute auch nicht mehr existieren, wurden für den Güterverkehr genutzt“, berichtet Obst. Warum der Bahnhof zurückgebaut wurde, weiß Benedikt Obst allerdings nicht. „Schade ist es jedoch, weil es für die Strecke nach Aachen praktisch gewesen wäre. Und nach Düsseldorf kommen wir hier auch schlechter, obwohl es viel näher als Köln ist“, gibt er zu bedenken. Noch heute lassen sich die Gleise sieben und acht im kleinen Wäldchen an der Peter-Busch-Straße erahnen.

„Die Kirmes ist schon geplant“

Namensgeber war unter anderem die Kirche in Hochneukirch, die vor der heutigen „St. Pantaleon“ gestanden hatte. „Die ursprüngliche Kirche hatte aber nur Platz für etwa 500 Gläubige, daraufhin wurde 1866 der Bau einer neuen Kirche beschlossen. Zwei Glocken stammen von 1448, die Dritte wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen“, fasst der 31-Jährige zusammen. Erst vor neun Jahren wurde eine neue dritte Glocke wieder eingebaut. Heute wird das Dach der Kirche erneuert. Durch den damaligen Neubau wurden Konstruktionsfehler entdeckt (der Top-Kurier berichtete).

Mittelpunkt des Dorfes war sicherlich schon immer der Adenauerplatz. Mal unter dem Namen Kaiser-Wilhelm-Platz, mal unter Marktplatz, von der Größe her war der Platz aber immer derselbe. „Drum herum befanden sich ,Pääferhus am Maat’“, beschriebt er. Alte Fachwerkhäuser, die heute nicht mehr existieren. „Die Baumaßnahmen sind abgeschlossen, die Kirmes schon geplant“, strahlt Benedikt Obst, „wir sind froh, dass die Baustelle vorbei ist.“

(Alina Gries)
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