Tagebau-Drehbuch Garzweiler Gärten am Rande des grünen Gürtels

Jüchen · Die Tagebaurandgemeinden Jüchen, Titz, Erkelenz und die Stadt Mönchengladbach streben die Gründung eines Zweckverbandes als zukünftige Organisationsform an. Das ist ein Ergebnis einer gemeinsamen Informationsveranstaltung der kommunalen Fachausschüsse der Tagebaurandgemeinden.

Seit zwei Jahren arbeiten die Kommunen bereits in einem Informellen Planungsverband zusammen, um ihrer gemeinsamen Stimme in Sachen Tagebau ein stärkeres Gewicht zu verleihen und den Auswirkungen zu begegnen. Die Gründung eines Zweckverbandes würde zugleich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die zukünftige Zusammenarbeit aller vier Kommunen schaffen und die Handlungsfähigkeit auch in der Beantragung von Fördermitteln sicherstellen. In einem nächsten Schritt sollen bei den Partnern jeweils die politischen Beschlüsse zur Vorbereitung der neuen Organisationsform eingeholt werden.

Die Gründung eines Zweckverbandes, der zugleich Träger öffentlicher Belange ist und die operative Ebene darstellt, ist für Frühjahr 2017 vorgesehen. "Mit dem heutigen Tag wendet sich das Blatt. Die Tagebaurandgemeinden wechseln von der reagierenden in die aktive Rolle, indem sie handeln und planen. Es ist ein sehr guter Zeitpunkt, die Planungen in Bewegung zu setzen", so Dr. Reimar Molitor, Region Köln/Bonn, der den Planungsprozess moderiert. Das Land unterstützt den Planungsprozess anteilig mit Fördermitteln in Höhe von 100.000 Euro. Die übrigen Gelder werden sowohl von den beteiligten Kommunen als auch von RWE-Power beigesteuert. Das Unternehmen ist ebenso im Planungsprozess eingebunden.

In der Sitzung Anfang November wurden zugleich auch die Ergebnisse der zurückliegenden Planungswerkstatt durch Christian Jürgensmann vom Duisburger Büro "planb", das auch die Werkstatt fachlich begleitete, vorgestellt. Anfang September führte der Informelle Planungsverband gemeinsam mit verschiedenen Planungsbüros und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen im Rittergut Wanlo eine Werkstattwoche durch. Dabei wurden Ideen zur Entwicklung der rund 430 Quadratkilometer großen Tagebauregion geschmiedet, wie sich die Region in der Zeit nach dem Tagebau aufstellen könnte. Im Ergebnis sollen in einem "Drehbuch" die landwirtschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und städtebaulichen Entwicklungen der Tagebauregion zunächst mit einem Zeithorizont bis 2035 mit Projektideen und beispielhaften oder möglichen Maßnahmen umfassend betrachtet werden. Dass alles so kommt, wie in der Planungswerkstatt festgehalten, ist völlig offen. "Das vorliegende Drehbruch ist eine umfassende Grundlage für die weiteren Planverfahren. Nun gilt es den Fokus des Landes NRW auf die Region zu richten, damit diese Ideen auch umgesetzt werden", so Bürgermeister Harald Zillikens.

Der erste Teil des sogenannten "Drehbuches" ist bereits geschrieben und wurde den Vertretern der kommunalen Fachausschüsse vorgelegt. So können sich die Planer vorstellen, ein grünes Band um das gesamte Gebiet von Garzweiler I und II zu legen, das mit 70 Kilometern der längste Park Europas wäre. Mit der Umsetzung könnte schon bald begonnen werden. Mit einem Radschnellweg und Wanderwegen durch diesen Grüngürtel könnten die Dörfer am Tagebau vernetzt werden. Gleichzeitig könnte der Park den späteren Restsee mit Niers, Erft und dem Naturpark Schwalm-Nette vernetzen. Auch die Restseen der Tagebaue Inden und Hambach könnten einbezogen und mit einem Kanalsystem verbunden werden. Ebenso sieht das "Drehbuch" am Rande des grünen Gürtels neu anzulegende "Garzweiler Gärten" vor, die sich in einer Art "Innovation-Valley" mit Gemüse und Obst zur Genusslandschaft entwickeln, eine Produktions- und Energielandschaft, die Ansiedlung von Unternehmen und Forschungslaboren aus Wissenschaft und Technik sowie eine an der Abraumkante angelegte terrassenartige Landschaft mit Möglichkeiten für innovatives Wohnen vor.

Insgesamt zeigt das "Drehbuch" eine Reihe von Möglichkeiten für die zukünftige Gestaltung des riesigen Areals auf, die sich aus der Verzahnung von Landschaft und Raum und der extremen Topographie insbesondere auch für neue Formen von Wohnen, Arbeiten und Mobilität sowie Erholung, Freizeit und Sport ergeben. So steht der Wassersport genauso auf der Liste der denkbaren Nutzungen wie eine sich über die Landschaft schlängelnde Seilbahn. Vor allem für die Menschen in den betroffenen Kommunen soll die Region wieder eine Heimat mit kleinen und großen Besonderheiten werden. So lautet denn auch das Credo der Planungen: Einrichten statt ausräumen. Siedlungen sollen nicht weiter zurückgebaut, sondern belebt und ausgebaut werden.

In der gemeinsamen Sitzung, die in dieser Form erstmals stattfand, wurden erste konkrete Schritte aufgezeigt und Maßnahmen festgehalten, die schon bald umgesetzt werden könnten. Das "Drehbuch" soll auch in das Braunkohlenplanverfahren einfließen, in dem die Bezirksregierung Köln die Entwicklung von Garzweiler II steuert. Darüber hinaus sollen die Planungen in die Regionalpläne der Bezirksregierungen Düsseldorf und Köln einfließen.

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