In Apotheken vor Ort bekommen die Bürger eine individuelle und fachkundige Beratung zu Medikamenten, Wechselwirkungen und Dosierungen sowie Unterstützung bei chronischen Erkrankungen und Dienstleistungen wie Blutdruckmessung, Impfungen, Vorsorgechecks und vieles mehr. Durch ihre flächendeckende Verteilung stellen sie sicher, dass Arzneimittel schnell verfügbar sind. Durch den Bereitschafts- und Notdienst bleiben sie auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten erreichbar – eine essenzielle Dienstleistung, die in akuten Fällen Leben retten kann. Denn Notfälle oder Krankheiten lassen sich nicht planen. „Das Vertrauen ist hoch“, freut sich Napp-Saarbourg.
Und dennoch beunruhigt ihn etwas: So ist die Zahl der öffentlichen Apotheken in Nordrhein auch im ersten Halbjahr 2025 weiter gesunken. Laut der aktuellen Statistik der Apothekerkammer Nordrhein waren zum Stichtag 1. Juli 2025 nur noch 1.915 Apotheken in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln geöffnet – 25 weniger als Ende 2024. Im vergangenen Jahr gab es einen Rückgang von 61 Apotheken. „Die Zahl der Apotheken nimmt dramatisch ab, der Sturz ist unaufhaltsam“, warnt Napp-Saarbourg.
Die Gründe seien vielfältig, weiß er. „Wie andere Branchen auch leiden wir unter dem Fachkräftemangel. Ältere Inhaber gehen in den Ruhestand, aber junge Kräfte kommen nicht nach, denn die Rahmenbedingungen sind schlecht. Alle Regierungen der vergangenen 20 Jahre haben es etwa versäumt, die Honorierung anzupassen. Trotz Inflation, gestiegener Energiekosten, dem enormen Anstieg unserer Dokumentationspflichten. Ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen kann das einfach nicht leisten“, kritisiert er. Die Konsequenz der Schließungen seien längere Wege, besonders in ländlicheren Gebieten und vor allem auch zum Erreichen einer Notdienstapotheke. Im Klartext: Die auch von den Teilnehmern der Umfrage für so wertvoll gehaltene wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist gefährdet und stellenweise schon nicht mehr gegeben.
„Und dann sitzt da jemand auf der grünen Wiese, der all diese Verpflichtungen für die Gesellschaft nicht hat, sich nur die Rosinen herauspickt und dann darauf auch noch Rabatte gewährt, die wir nicht geben dürfen“, beschreibt er die nächste große Herausforderung für die Apotheker: den Online-Versandhandel. Denn während Vor-Ort-Apotheken mit steigenden Kosten, Bürokratie und Nachwuchsmangel kämpfen, sehen sie sich zugleich dem wachsenden Wettbewerb durch den Online-Versandhandel ausgesetzt. Viele Versandhändler, vor allem aus dem Ausland wie den Niederlanden, bieten Medikamente zu günstigeren Preisen an und locken mit Boni, Rabatten oder Gutscheinen.
Das betrifft auch verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in Deutschland einer Preisbindung unterliegen. „Das Geld fließt ins Ausland und wir fördern dort Arbeitsplätze“, so Napp-Saarbourg. Und weiter: „In 19 von 27 Staaten der Europäischen Union ist der Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten über den Versandhandel generell verboten. Deutschland gehört nicht dazu.“ Arzneimittel sind immerhin keine normalen Konsumgüter: Risiken und Nebenwirkungen sind real und bedürfen intensiver Beratung – eine Leistung, die der Versandhandel in diesem Maß nicht bieten kann. Hinzu kommen die ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Versandapotheken haben geringere Betriebskosten, da sie keinen Ladenbetrieb vor Ort finanzieren müssen.
„Bei allem Sparwillen muss man sich fragen, ob das der richtige Weg ist“, gibt Napp-Saarbourg zu bedenken, dass diese Situation die flächendeckende Gesundheitsversorgung gefährdet. „Wenn sich daran nichts ändert, wird über kurz oder lang noch rund die Hälfte der verbliebenen Apotheken schließen müssen. Dann ist auch der Notdienst nicht mehr gewährleistet. Die Frage ist: Was ist der Bevölkerung ihre Gesundheit wert?“
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